Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 489 dringendst um die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung74), aber bereits am nächsten Tag hatte er sich entschlossen, diese Ausfuhr auf eigene Verant­wortung zu gestatten, da der Holztransport nur mit Schlitten durchgeführt werden konnte und die Schneeschmelze in zwei bis drei Wochen zu erwarten war. Er trug aber den Untertanen auf, die üblichen Ausfuhrzölle zu er­legen, wozu sich alle mit Freuden bereit erklärten. Der Kommissär be­richtete nuin eingehend über die Gründe, die ihn zu diesem doch ungewöhn­lichen Schritt bewogen hatten und schloß das für seine bewegliche Amts­führung charakteristische Schreiben mit folgenden Worten: „Ungeachtet aller dieser Beweggründe ware in einem republicanischen Staate bey Ueber- schreitung eines Auftrags die Strafe unvermeidlich, voll aber einer Ahn­dung mich durch diese Handlung denen großmuthigen Herzen und mild­reichen Denkensart meiner Monarchen genähert zu haben, lebe der aller­höchsten Gnade und allergnädigsten Vergebung“ 75). Kollowrat legte diesen durch Staffetten mach Wien beförderten Bericht bereits am 27. März der Kaiserin vor, die die Ausfuhrerlaubnis sofort nachträglich erteilte76). Kressei wurde davon am 30. März verständigt und ihm auf Befehl der Kaiserin „die allerhöchste Zufriedenheit“ über seine Berichte zu erkennen gegeben77). Es ist daher nicht verwunderlich, wenn auch die Bevölkerung der not- leidenden Gebiete bald erkannte, daß sie sich vor dem kaiserlichen Kom­missär kein Blatt vor den Mund zu nehmen brauchte und Kressei scheute sich nicht, manche seiner Unterredungen wörtlich nach Wien zu berichten. So äußerte sich z. B. ein Spinmer über die Behelligungen durch die „Ueber- reiter“ (Zollwächter) ziemlich unverblümt78) und der Vizekanzler, der diesen Bericht an die Kaiserin weitergab, machte dazu die interessante Bemerkung, daß er sich zur Frage der Überreiter, „die zu geringen Gehalt haben und ohne exactionem nicht leben könnten“, nicht zu äußern wage 79). Aber nicht nur die Behörden, auch die Bevölkerung selbst verzögerte nach Kressei alle durchgreifenderen Hilfsmaßnahmen: „Es ist eine Art von Schläfrigkeit im Lande, daß alles ohme Bewegung ist, viele Leute die Ge- treid haben, wollten es auch unter die bestimmten Preise weggeben, nie­74) „Dadurch werden 10.000 Seelen Brot haben“ und „in ihrem Leben wird unsere große Maria Theresia nichts heilsameres befehlen.“ 1771 III 22, Hohen- elbe. Ebendort, März, n. 22. 7D 1771 III (23), Paka. Ebendort. 7«) „Hatzfeld wegen des Holtz zu comunicirn, welches zu aprobirn ist.“ Resolution zum Vortrag Kollowrats vom 27. März, ebendort. 77) 1771 III 30, ebendort. 78) „kein Mensch traut sie ja etwas von einem Dorfe zum andern zu tragen, und um nur loszukommen, und nicht zu einem Gerichte zum Verhör geführet zu werden, er mag schuldig oder unschuldig seyn, giebt er lieber her, was er im Sacke hat, um nur ruhig nach Hause zu kommen. Gelts Herr, von dem be­kommt die Kaiserin keinen Kreuzer ...!“ 1771 III 29, Prag. Ebendort, April, n. 2. 7B) 1771 IV 7, Note Kollowrats, ebendort.

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