Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WASSILKO, Theophila: Die Internationale Musik- und Theaterausstellung Wien 1892 und das Obersthofmeisteramt

468 Theophila Wassilko räumlicher Dispositionen notwendig. Da kam es dann oft zu Kollisionen mit den Ausstellern, nicht zuletzt auch mit der Generalintendanz und dem streitbaren Dr. Wlassack. Auf eine Anfrage der Kommission, ob sich die Generalintendanz für die Ausstellung ihrer Porträts und Theaterzettel nicht auf einen anderen Raum beschänken könnte, antwortete diese, daß sie „wenn wirklich die Kommission sich genötigt sehen sollte, auf die Instrumentenmacher und deren Begehren mehr Rücksicht zu nehmen als auf die Wiener Hoftheater, die Generalintendanz auf eine Ausstellung der mehrerwähnten historischen Objekte vollständig Verzicht leisten würde“. Die Generalintendanz stellt der Kommission dann ein Ultimatum bis zum nächsten Tag, „widrigenfalls die bereits weitgediehenen Vorbereitungsarbeiten sistiert würden“. An­scheinend hat die Kommission nachgegeben, denn die Porträt- und Theater­sammlung bildete einen integrierenden Bestandteil der Ausstellung und ist in allen Zeitungen „als eine der größten Sehenswürdigkeiten“ ausführlich besprochen worden40). So halten die wissenschaftlichen Vorbereitungen zur Beschickung der Ausstellung Museen und Archive Europas in Atem. Musik-, Kultur-, Kunst­historiker, Archivare arbeiten an der Auswahl der Gegenstände, an der Verfassung der Verzeichnisse und Kataloge. Tausende von Gehirnen, ja man kann sagen, der europäische Geist selbst ist in Bewegung gesetzt, um ein Bild aufzurollen von dem, was er der Welt gegeben hat. Die Bologneser Ausstellung, wenn sie vielleicht die erste Anregung zu dieser Ausstellung gegeben hat, ist über ihren lokalhistorischen Charakter nicht hinausgegan­gen41). Was aber ist aus diesem Gedanken inzwischen geworden! Er geht in die Weite, umspannt nicht nur Europa, sondern die ganze Welt, denn auch Amerika schaltet sich ein und die Völker des außereuropäischen Kulturkreises. Er geht in die Tiefe, taucht hinab zu seinen Ursprüngen, in die „Täler der Menschenfrühe“, wo Musik und Theater noch kultisch gebunden waren, wo es eine rein profane Kunst noch nicht gab. Er erhebt sich zu den leuchtenden Gipfeln im Reiche der Kunst und schaut den Weg, den er durchwandert. Da ist das erst im Jahre der Ausstellung in der Papyrussammlung des Erzherzogs Rainer aufgefundene Fragment eines Chorgesanges zum Orestes des Euripides, da ist die Handschrift des Gudrunliedes, der Codex des Orlando Lasso. Da sind die Originalpartituren der Zauberflöte und der Jupitersymphonie, des Egmont und des Fidelio, der Neunten und der Missa Solemnis, das Originalmanuskript des Faust, Kostbarkeiten menschlicher Schöpfertätigkeit auf dem unendlichen Weg zur Hochkultur des Geistes, der dem Menschen zur Aufgabe gesetzt ist. Einen Begriff von der Fülle und dem Inhalt des auf dieser Ausstellung 40) GJ. ZI. 560—1892 vom 18. April 1892. 41) Sie war auch nicht nach historischen Gesichtspunkten angeordnet, son­dern nach Ausstellern gruppiert.

Next

/
Oldalképek
Tartalom