Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

442 Eduard Straßmayr gesamten Archivbestandes ausmachte, besitzt das Stadtarchiv noch immer 1884 Urkunden, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, 1199 Hand­schriften und 918 Schachteln Akten. Es dürfte in Österreich kaum eine Kleinstadt geben, die sich hinsichtlich des historischen Wertes und der Reichhaltigkeit ihres Archivs mit dem 5141 Einwohner zählenden Freistadt messen könnte11). Ein arges Mißgeschick traf das Archiv der Stadt Enns. Mit der Neuge­staltung des Staatslebens nach dem Sturmjahr 1848 wurde eine Trennung der Verwaltung vom Gerichtswesen durchgeführt. Auf Grund der vom Kaiser 1849 sanktionierten neuen Gerichtsverfassung trat an die Stelle der patrimonialen Gerichte die Rechtsprechung des Staates. Enns erhielt ein Bezirksgericht als unterste Gerichtsbehörde und für die Finanzverwaltung ein Steueramt12). Ihre Unterbringung erfolgte in dem der Eninser Bürger­schaft gehörigen Hause am Hauptplatz Nr. 13. Doch schon wenige Jahre später trat in der Ämterorganisation wieder eine Änderung ein. Verwaltung und Justiz wurden zusammengelegt, dem neu errichteten k. k. Bezirksamt mit dem Sitz in Enns eröffnete sich ein weiter Wirkungskreis, denn ihm oblagen die Aufgaben der Verwaltung, der Rechtspflege und des Steuer-, Rechnungs- und Kassenwesens. Der Ge­meinderat war vor die schwierige Aufgabe gestellt, für diese Dienststelle entsprechende Räume zur Verfügung zu stellen, da die Lokale des Bezirks­gerichtes nicht ausreichten. In der Sitzung vom 3. Juni 1853 faßten die Gemeindeväter den Beschluß, das Rathaus am Hauptplatz zur Unterbrin­gung des Bezirksamtes mit Ausnahme des Feuerlöschrequisiten-Gewölbes und des im ersten Stockwerk befindlichen Archivzimmers gegen einen Jahreszins von 200 Gulden zu überlassen13). Dieser geschichtlich denkwürdige Bau, einst das Münzhaus des Landes­fürsten, in welchem die Ennser Silberpfennige geprägt wurden, war seit 1849 Verwaltungsmittelpunkt der Stadt. Die Adaptierung des alten Rat­hauses hielten die Gemeinderäte in Anbetracht der sehr ungünstigen Finanzlage von Enns für die billigere Lösung. Am 21. April 1854 war zwischen der Stadtverwaltung und dem Ärar ein Vertrag wegen Vermie­tung des Rathauses abgeschlossen worden. Die Unterbringung der städti­schen Kanzleien wurde nun für die Gemeinde ein schwer lösbares Problem. Das Jahr 1848 hatte neue Rechts- und Verwaltungsverhältnisse ge­schaffen und damit den alten Schriften ihren praktischen Wert genommen. Sie wurden als überflüssiger Ballast empfunden, den man beseitigen mußte, da sich bei den errichteten Ämtern Raumnot fühlbar machte. Diesem Übel­stand und auch dem mangelnden historischen Interesse an den Schrift­11) An Bevölkerungszahl steht Freistadt unter den 16 oberösterreichischen Städten an elfter Stelle. !2) E. Trinks, Die Bestände des oberösterreichischen Landesarchivs. Mittei­lungen des oberösterreichischen Landesarchivs, Bd. 1 (Linz 1951), S. 44ff. u. 47ff. 13) Stadtgemeinde-Registratur Enns, Gemeinderatsprotokoll vom 3. Juni 1853.

Next

/
Oldalképek
Tartalom