Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741

390 Oskar Regele Armee hätte vernichtet werden können, hätte man es auf einen Kampf um Belgrad ankommen lassen, und K e r a 1 i o ist der Ansicht48): „ ... hätte der Kaiser dieselben Generale weiter verwendet, wären die Türken bis vor Wien gelangt. Und hätte sich das siegreiche Rußland einige der türkischen Eroberungen angeeignet, wären die Friedensbedingungen für den Kaiser um nichts weniger hart und erniedrigend geworden.“ Ein Wort gebührt noch jener, auch von O. Redlich entschieden abge­lehnten Legende, nach welcher Maria Theresia den Abschluß des Friedens herbeigeführt haben soll. Diese Legende hat sogar bei Schlosser ein Echo gefunden, der darüber sagt 49): „ .. . Neipperg hatte den Auftrag von Maria Theresia: wahrscheinlich sollte er den Frieden unter jeder Be­dingung bewirken, damit sie als Nachfolgerin nicht bei ihres Vaters Tode zugleich mit den Türken und mit den Mächten, die ihre Ansprüche an die ganze österreichische Monarchie bestritten, zu kämpfen hätte.“ Keinem Historiker, auch Schlosser und K r o n e s nicht, ist es gelungen, für diese Annahme einen schlüssigen Beweis zu erbringen und wenn K r a 1 i k über den Belgrader Frieden bemerkt50): „Das geschah allerdings bereits unter dem Druck der großen Gefahr, die dem Reiche von Seiten seiner westlichen und nördlichen Feinde drohte“, dann kann er wohl nur die all­gemeine Friedenssehnsucht und das Drängen nach einem Vertragsabschluß im Auge haben, wie sie in Wien vorherrschten, nicht aber Maria The­resia. Die Erzherzogin war 1739 erst 22 Jahre alt, sie stand den Regie­rungsgeschäften nach ihrer eigenen Angabe 51 52) vollkommen ferne und es lag auch keine Wahrscheinlichkeit vor, daß der erst 54jährige rüstige Kaiser so bald aus dem Leben scheiden werde. Der Fall Neipperg liegt viel zu klar vor uns, als daß es einer Legende zu seiner Erklärung be­dürfte. „Es war natürlich, daß man ihn (Neipperg) vor Gericht stellte, aber ebenso natürlich, daß man ihn schließlich begnadigte“ 62). Der Friede von Belgrad war eine unvermeidliche Notwendigkeit, diktiert durch die militärische Niederlage, durch die diplomatischen Miß­erfolge und die dadurch entstandene Machteinbuße. Als Graf Neipperg die Verhandlungen begann, staind er mit leeren Händen dem Gegner gegen­über, gleichsam ein Feldherr ohne Munition, er konnte nichts fordern, er konnte keine Trümpfe ausspielen, er konnte nicht auf irgendeine Hilfe von außen rechnen. Sein Empfinden sagte, hier könne man nur nachgeben, um Ärgeres zu verhindern und die folgenden Jahrzehnte haben dies bestätigt. Ein halbes Jahrhundert herrschte nach 1739 Frieden an den türkischen «) a. a. O., 2. Bd., S. 264. «) a. a. O., Bd. I., S. 377. so) „österreichische Geschichte“, S. 197. 51) Arneth „Zwei Denkschriften der Kaiserin Maria Theresia“ in „Archiv für österr. Geschichte“, Wien 1871, Bd. 47, S. 273. 52) Tupetz „Der Türkenfeldzug von 1739 und der Friede von Belgrad.“ Histor. Zeitschrift, München 1878, Bd. 40, S. 50.

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