Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)
Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien 39 trennung der genannten Pfarren wollte die montenegrinische Regierung vor der Diözesanregulierung in Serbien vorgenommen haben142). Ende Juli 1914 leitete der montenegrinische Generalkonsul in Rom Schritte zu Verhandlungen über die Ausdehnung der Bestimmungen des Konkordates mit Montenegro auf die montenegrinischen Neuerwerbungen im zweiten Balkankrieg ein143). Infolge der inzwischen eingetretenen kriegerischen Verwicklungen war Österreich-Ungarn nicht mehr in der Lage seine Vermittlertätigkeit aufzunehmen. Die Haltung Österreich-Ungarns gegenüber Serbien bezüglich des Schutzrechtes über die Katholiken in den von Serbien im zweiten Balkankrieg besetzten, ehemals türkischen Gebieten unterschied sich nicht wesentlich von der Haltung, die Wien gegenüber Montenegro in derselben Frage einnahm. Montenegro besaß allerdings gegenüber Serbien den Vorteil, daß es bereits in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl geschlossen hatte 144); Konkordatsverhandlungen zwischen Serbien und Rom waren 1882 ergebnislos abgebrochen worden145). Die österreichisch-ungarische Regierung betrachtete, solange noch kein Friede zwischen der Türkei und den Balkanstaaten geschlossen war, die Existenz des Kultusprotektorates für nicht alteriert und betonte, daß auch nach Herbeiführung eines von Europa anerkannten Zustandes eine etwaige Neuregelung der kirchenpolitischen Situation nicht ohne Einvernehmen mit Österreich-Ungarn herbeigeführt werden könnte146). Auch für den Heiligen Stuhl war die völkerrechtliche Anerkennung der territorialen Veränderungen auf dem Balkan der Zeitpunkt, in dem den Anträgen Serbiens und Montenegros, die Stellung der Katholiken in den annektierten Gebieten zu regeln, stattgegeben werden konnte 147). In Wien war man sich vollkommen dessen bewußt, daß die Forderung der Aufrechterhaltung des Kultusprotektorates in seiner bestehenden Form in Serbien großen Schwierigkeiten, deren Überwindung das künftige Verhältnis Österreich-Ungarns zu Serbien nur imgünstig beeinflussen konnte, begegnen würde 148). Man war in Wien jedoch überzeugt, Österreich-Ungarn könne seine Stimme bei einem zwischen Serbien und dem Heiligen Stuhl zu verhandelnden Arrangement vernehmen lassen 149). Sowohl der Kardinalstaatssekretär, Merry del Val, wie auch der Präfekt der Propaganda, Kardinal Gotti, gaben Schönburg gegenüber beruhigende Erklärungen ab, man würde nicht ohne vorheriges Ein142) Ebenda, Bericht Otto, Cetinje, 47 D, 1914 Juli 4. >43) Ebenda, Bericht Otto, Cetinje, 52 C, 1914 Juli 22. 144) Vgl. oben S. 20, 38. 145) Vgl. Schmidlin 2, 518. 146) pa XII, 272. Liasse Türkei XXXIV/10. Weisung an Schönburg (Rom V), 1913 Februar 3, Weisung an Ugrón, 1913 Februar 14. 147) Ebenda, Bericht Schönburg, Rom V, 1912 Juli 31. >48) Ebenda, Weisung an Schönburg (Rom V), 1913 Februar 3. >49) Ebenda, Weisung an Schönburg (Rom V), 5820, 1912 Dezember 11.