Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)
Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien 21 einzugehen, vorausgesetzt, daß Wien keinen Einwand erhebe44). Galimberti sollte beauftragt werden, diese Frage mit Kálnoky zu besprechen. Im Verlaufe seiner Reise besuchte Msgr. Azarian auch Wien und wurde vom Kaiser empfangen45). Bei einem Besuch auf dem Ballhausplatz legte er dem Minister des Äußeren, Kálnoky, den Plan einer vertragsmäßigen Regelung der Stellung der katholischen Kirche in Albanien durch ein zwischen dem Heiligen Stuhl und der Pforte zu schließendes förmliches Übereinkommen vor. Kálnoky antwortete Azarian zunächst sehr vorsichtig, da ihm die Stellung Azarians als Unterhändler einigermaßen unklar erschien. Der Auffassung der Pforte, die montenegrinische Regierung habe bei Abschluß des Konkordates mit dem Heiligen Stuhl vor allem die politische Absicht, auf die unter türkischer Herrschaft stehenden Katholiken Albaniens einzuwirken, vor Augen gehabt, stimmte er bei. Kálnoky ließ sich von Azarian auch noch überzeugen, ein einheimischer Klerus in Albanien, dessen Heranwachsen durch das Konkordat nur gefördert werden könnte, würde in der Lage sein, den italienischen Einfluß, der mit dem überwiegend aus Italienern bestehenden Klerus naturgegeben schien, im Lande einzudämmen. Im allgemeinen hielt Kálnoky den Gedanken selbst, das Ansehen der katholischen Kirche in Albanien mit Hilfe eines förmlichen Abkommens zwischen Rom und Konstantinopels zu heben, für förderns- und wünschenswert, seine Antwort an Azarian betonte, daß der k. u. k. Regierung eine Regelung der Stellung der katholischen Kirche in Albanien auf Gruind eines Übereinkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Pforte nur wünschenswert erscheine, und daher Schwierigkeiten von seiten Wiens nicht zu erwarten seien. Allerdings behielt sich Kálnoky eine Prüfung der Sachlage vor und machte weitere Verhandlungen von Mitteilungen aus Rom abhängig 46). Der Konkordatsplan trat 1892 wieder in das Stadium der diplomatischen Verhandlungen. Msgr. Azarians Gönner, der ehemalige Kultusminister Djevad Pascha, war Großwesir geworden und zeigte sich nicht unabgeneigt, dieses Projekt, dessen Realisierung die Aussicht auf eine Bereinigung der Frage der religiösen Protektorate Österreich-Ungarns und Frankreichs bot, weiter zu unterstützen. Türkischerseits hielt man jedenfalls die Schutzrechte fremder Mächte über die Katholiken für unvereinbar mit den in der letzten Zeit auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltung 44) Ebenda, Bericht Paar, Rom V, 15, 1887 April 26. Weisung an Paar (Rom) V), 1887 April 16; Beilage: Aufzeichnungen Kálnokys über den Besuch Azarians in Wien. 45) Msgr. Azarian wurde am 10. April um 13 Uhr vom Kaiser in besonderer Audienz empfangen (OMe. A. Hofzeremonialprotokoll 1887); die in einer Kon- stantinopeler Zeitung gemeldete Dinereinladung fand aber nicht statt, vgl. PA XII, 234, Bericht Calice, Konstantinopel, 27 C, 1887 April 19. 46) PA XII, 234. Weisung Kálnoky an Paar (Rom V), 1887 April 16, Beilage: Aufzeichnungen Kálnokys über den Besuch Azarians in Wien.