Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

ENGEL-JANOSI, Friedrich: Österreichische Pläne einer Kurienreform in den Jahren 1912–1914

342 Friedrich Engel-Janosi ragierenden Art des Pater Mausz13), der ja bekanntlich auch aus dem Deutschen Reiche stammt — aus Übereifer reichs-deutsche Übelstände und unerfreuliche Reibungen aus reichsdeutschen Landen in die katho­lische Welt Österreich-Ungarns inoculieren wollte.“ Das Bestehen derartiger Mißstände an der Kurie, und besonders die mangelhafte Vertrautheit mit den deutschen Verhältnissen gab der Bot­schafter in einem späteren Berichte ausdrücklich zu14). Prinz Schön­burg erhoffte sich aber auch nicht viel von dem Vorschlag, nach dem Vorbild Billots oder Van Rossums Ordensmänner aus Deutschland oder Österreich ins Kolleg zu berufen; für die Monarchie wurde der Dominikaner Frühwirt genannt, zur Zeit Nuntius in München und wegen seiner allzu versöhnlichen Haltung häufig angegriffen15 16). Solche Ordensmänner würden sich nicht als in gewissem Sinne Vertreter ihrer Nation betrach­ten, sondern ausschließlich als Diener des Papstes. Überdies seien auch die persönlichen Voraussetzungen, um eine derartige Berufung wirklich ausfüllen zu können, nur sehr selten gegeben: erforderlich sei nicht nur eine Vertrautheit mit den nationalen Verhältnissen und ein kontinuier­licher Kontakt, sondern vor allem eine Persönlichkeit, die genügend stark sei, „um sich auf dem so unendlich schwierigen Terrain der römi­schen Kurie einen dauernden Einfluß zu verschaffen“. Aber mit dem Hinweis auf solche Schwierigkeiten war die Frage einer Kurienreform für den Ballhausplatz noch nicht abgetan. Drohte nicht, wenn man den Dingen freien Lauf ließ, die Gefahr einer ausge­sprochenen Italianisierung der Kurie? Den Tagebüchern Pastors zufolge hatte der Staatssekretär sich dahin geäußert, daß keine Aussicht für eine Aussöhnung zwischen Italien und dem Papst bestehe, obgleich alle Diplomaten daran glaubten, und um die gleiche Zeit hatte Fürst Bülow zu dem Gelehrten über den großen Fehler der italienischen Regierung gesprochen, sich nicht „mit dem so friedlich gesinnten Pius X. ausein­anderzusetzen“ 1B). Weder am Ballhausplatz noch im Palazzo di Venezia hätte man diese Mitteilungen als zutreffend beurteilt. Man hatte dort vielmehr den Ein­druck, daß eine Änderung in den Beziehungen zwischen Vatikan und Quirinal sich vorbereite — wobei nicht gesagt werden soll, daß die öster­reichische Diplomatie diesem Wechsel mit besonderer Freude entgegen­13) Herausgeber des integralistischen Katholischen Sonntags­blatts; er stand Monsignore Benigni, Sottosegretario im päpstlichen Staats­sekretariat, nahe; vgl. Pastor, a. a. 0., S. 544 f. Andrerseits führten die öster­reichischen Diplomaten heftige Klagen gegen seinen Übereifer; vgl. meinen Auf­satz „Österreich und der Vatikan während des Pontifikats Pius’ X. und der Wahl Benedikts XV.“ in Mitteilungen des Österreichischen Staats­archivs, Bd. V (Wien, 1952), S. 288 f.; vgl. auch Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute (Wien, 1952), S. 348. 14) 16. Juli, 1914, Nu. 29 B, Streng vertraulich. !5) Vgl. Pius X. zu Pastor: „voltato cosi“, a. a. O., S. 572. 16) E b e n d a, S. 594, 12. und 17. Februar 1914.

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