Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

Rezensionen 523 Vergangenheit anfallenden Geschichtsquellen nichtamtlichen Charakters befaßt sich Reiner Puschnig mit der Forderung nach Einrichtung „Gegenwartsgeschichtlicher Sammlungen in den Archiven“ (S. 84—88). Man könnte nur wünschen, daß die Herausgabe von Mitteilungen, die das steiermärkische Landesarchiv unter verständnisvoller Förderung durch die Landesregierung so vorbildlich durchführt, auch in den anderen Bundesländern zu einer ständigen Einrichtung würde. Otto Friedrich Winter (Wien). Deutschland und Europa. Historische Studien zur Völker- und Staatenordnung des Abendlandes. Festschrift für Hans R o t h f e 1 s, hrsgeg. von Werner C o n z e, Droste Verlag und Druckerei Düsseldorf 1951. 415 Seiten. DM 17.80. Der 60. Geburtstag von Hans Rothfels bot Gelegenheit, dem Jubilar eine mit einem Geleitwort von Friedrich Meinecke versehene Festgabe deutscher und außerdeutscher Historiker zu überreichen. Der Altmeister der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts empfand es als besondere Freude, Sprecher der Zunft am Ehrentag seines Schülers zu sein. Die Beiträge dieses stattlichen Bandes umfassen folgende Problemkreise: I. Reich Bismarcks-, II. Deutschland und England; III. Der europäische Osten; IV. Rußland und Europa; V. Historia literaria. Theodor Schieder, Bismarck und Europa (S.15—1+0) eröffnet die Reihe der Bismarcks Politik und Persönlichkeit gewidmeten Arbeiten mit einem Beitrag zu dem kontroversen Problem von Bismarcks Europabild. Sch. konnte aus den Quellen gegen Konstantin Frantz, der Bismarck jegliches Verständnis für eine überstaatliche, übernationale und überkonfessionelle Berufung Deutschlands absprach, ein bestimmtes, aus den zeitgeschicht­lichen Voraussetzungen erklärliches Europabild entgegenhalten. Für den jungen Bismarck gab es außer einer deutschen, auf Bundesangelegenheiten sich beschränkenden kleinen Politik, eine europäische, die Stellung Preu­ßens innerhalb der Machtstaaten zur Geltung bringende große Politik. Dieses Europa Bismarcks, in dessen kulturellen Traditionen er auf gewach­sen war, umfaßte die großen Mächte mit Ausnahme von England, Amerika und Rußland; Deutschland stellte innerhalb Europa keine Macht vor, wohl aber die beiden Großstaaten Österreich und Preußen. Für den jungen Bismarck war Europa eine Sphäre der hohen Politik, innerhalb der Preußen sein Wort im Konzert der großen Mächte, welche sich im 18. Jahrhundert gebildet hatten und die nach dem Wiener Kongreß wieder auf erstanden waren, sprechen konnte. Europa war für Bismarck vor allem Machteuropa. Es fehlte Bismarck das Bewußtsein einer überstaatlichen Rechtsordnung. Sein Europabewußtsein war beschränkt auf das Bewußtsein gleicher Existenzbedingungen und eines gemeinsamen Existenzraumes, in dem das Machtstreben der Staaten seine Begrenzung in der Anwendung des Inter­esseprinzips fand. Für Bismarck gab es in Europa kein höheres naturrecht­lich verankertes Rechtsprinzip, Europa war das Feld der Allianzen der großen Mächte. William 0. Aydelotte, Wollte Bismarck Kolonien (S. 1+1—68) konnte aus Gesandtenweisungen den Nachweis führen, daß Bismarck nicht vor 1883 Interesse am Erwerb von Kolonien zeigte. Erst 1883/84 dachte Bis-

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