Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

520 Literaturberichte Gerichten. Die dritte Abteilung über das Zentgerichtswesen der Würzburger Bischöfe ist für uns von methodischem Interesse. Sebastian Zeißners Beitrag über Waldwirtschaft und Bergbau in den Haßbergen (S. 127—137) hat vor allem landschaftsgeschichtlichen Wert. Karl Maders Untersuchungen über Entstehung und Entwicklung der Stadt Wertheim (S. 91—126), deren Anfänge in die Zeit des Heiligen Kilian, also in das Ende des 7. oder den Anfang des 8. Jahrhunderts zu­rückreichen, bringt die allgemein wichtige Frage, ob es, wie es hier scheint, möglich ist, daß ein Ort faktisch zur Stadt ausgebaut wurde, auch städtische Rechte hatte, ja schon Stadt genannt wurde, ehe die Stadt­rechtsurkunde vorhanden war, diese also als nachträgliche Bestätigung einer Tatsache gegeben wurde, oder, wie eben im Falle Wertheim, viel­leicht auch niemals ausgestellt worden ist. Der Autor neigt dazu, das gewiß auffallende Fehlen vieler Stadtrechtsurkunden aus diese Weise zu erklären. Über die Richtigkeit dieser Annahme müssen weitere Forschungen die Entscheidung bringen. Bedeutsam ist die Doppelstudie über zwei Riemenschneiderwerke von dem bekannten Kunsthistoriker Justus Bier (S. 138—150). Er stellt den Heidingsfelder Ölberg endgültig als eigenhändige Riemenschneiderarbeit fest und bestätigt ihren hohen künstlerischen Rang; an der ehemaligen St. Burkarder ölberggruppe im mainfränkischen Museum ist als Gehilfe des Bildhauers ein Hans Braun nachgewiesen worden. Beide Gruppen, deren eine schon seit den Bauernaufständen des 16. Jahrhunderts nicht mehr vollständig ist, haben in diesem Krieg schweren Schaden gelitten. Besonders hervorzuheben sind die zu diesem Aufsatz gehörigen ausge­zeichneten Reproduktionen im Anhang. Auch die Studie Heinrich Krei­sels (S 151—175) über die Würzburger Gobelinmanufaktur bringt her­vorragende Abbildungen, die durch die große Zartheit der Zeichnung über­raschen. Johann Philipp Franz Graf von Schönborn und sein Bruder Fried­rich Karl richteten die Würzburger Manufaktur ein, deren Blütezeit zwischen 1700 und 1750 lag. Ihr letzter bedeutendster Leiter Pirol konnte jedoch nicht die Auflösung aus Geldmangel verhindern. Zwei weitere Skizzen lassen Ausschnitte aus der Geistesgeschichte des Landes in der Zeit der Aufklärung und der romantischen ersten Hälfte des 19. Jahrhundert aufleuchten. Der bereits verstorbene Kaspar Gartenhof zeichnet das in das 18. Jahrhundert fallende Leben des Arztes Melchior Adam Weikhart auf Grund seiner drei Selbstbiographien (S. 176—206). Sehr bezeichnend ist dessen Umschwung von einer sehr skrupelhaften Jugend in einer abergläubisch-primitiven Umgebung zu einer radikal auf­geklärten Einstellung. Bei einem etwas mehr geglätteten Stil könnten die Ergebnisse noch plastischer zum Ausdruck kommen. Einen Hinweis auf noch weiter zu bearbeitendes Gebiet bringt erfreulicherweise Walter M. Brod (S.244—262) mit seinem Aufsatz über einen unbekannten Propheten der chiliastischen Bewegung in Franken, Simon Eisenhut, der, von Beruf Schuhmacher, sich im Jahre 1817 von Gott zum Propheten berufen fühlte. Es wird hier über den Fund von zwei handschriftlichen, reich illustrierten und höchst instruktiven Bänden, die, in den Jahren 1818—1823 entstanden, auf ihn und seine Gruppe zurückgehen, referiert. Der Autor gibt eine

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