Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich
518 Literaturberichte Der Inhalt des 1. Heftes bestätigt die weitgespannten Prätensionen: Neben einer literaturgeschichtlichen Abhandlung Josef Hahns, München, „Bemerkungen zum sogenannten Sbornik Kifsi Danilova“ (S. 25—53), die an Hand der inneren Merkmale Entstehungszeit und Entstehungsort der einzelnen Teile dieser in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zusammengefaßten Sammlung russischer Heldenlieder zu eruieren bemüht ist, findet man eine eingehende Untersuchung Georg von Rauchs, Marburg/Lahn, „J. Ph. Fallmerayer und der russische Reichsgedanke bei F. I. Tjutcev“ (S. 54—96), die eine Analyse des Verhältnisses Fallmerayers zur Ideologie der Slavophilen, im besonderen seine Auseinandersetzung mit Fedor Ivanovic Tjutcev bringt, eines der prominentesten Vertreter der Parole „Moskau — das dritte Rom“ und damit des messianistischen russischen Reichsgedankens als Erbe des byzantinischen, „eine universale Ordnung, die berufen sei, die abendländische Gemeinschaft abzulösen“ (S. 55); es wird ein tiefer Einblick gewonnen in die um die Mitte des 19. Jahrhunderts, überschattet von dem diese Probleme so eng tangierenden Ereignis des Krimkrieges, geführte publizistische Auseinandersetzung zwischen dem abendländischen und dem „anderen“ Europa, in der sich universalistische, imperialistische und nationalistische Gesichtspunkte geltend machen. Paul J ohansen, Hamburg, erörtert in dem Abdruck eines am 1. 10. 1951 in der Finnischen Historischen Gesellschaft zu Helsinki gehaltenen Vortrags, „Die Chronik als Biographie. Heinrich von Lettlands Lebensgang und Weltanschauung“ (S. 1—24), die Stellen aus dessen Chronik, der so einzigartigen Schilderung eines Augenzeugen über Missionierung und staatliche Organisierung des Baltikums im 12. und 13. Jahrhundert, aus denen sich Schlüsse auf den Lebensablauf und die Weltanschauung des Verfassers ziehen lassen. Heinrich Felix Schmid, Wien, gibt in seinem Beitrag, „Grundrichtungen und Wendepunkte europäischer Ostpolitik“ (S. 97—116), nach an den Universitäten Berlin und München gehaltenen Vorträgen eine grundsätzliche Stellungnahme dazu, was in den einzelnen Geschichtsepochen unter dem Begriff „europäische Ostpolitik“ zu verstehen sei; er betont darin, daß das „eigentliche Ziel“ derselben, „die Gleichwertigmachung des Ostens unseres Kontinents seinen höchstentwickelten Gebieten gegenüber“ (S. 98), bisher dreimal, zwischen 800 und 1050, zwischen der Mitte des 13. und dem Ende des 14. Jahrhunderts und zwischen 1848 und 1938 annähernd erreicht worden sei. Abgeschlossen wird das 1. Heft durch zwei gehaltvolle Buchbesprechungen, G. S t ö k 1 s, Wien, über das grundlegende Werk G. A. Wetters über den dialektischen Materialismus, und Josef Hahns, München, über die „Boisaja Sovetskaja Enciklopedija“. Otto Friedrich Winter (Wien). Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Bd. 4, 1952. (Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg, Bd. 75). Hrsgeg. von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte E. V., Würzburg, 1952, 432 Seiten, 24 Abbildungen. Beilage: Regesten mainfränkischer Geschichtsquellen des Mittelalters, 1. Lieferung, 32 Seiten. Dieses Jahrbuch verdient kein geringes Lob. Die Namen der Herausgeber, Universitätsprofessor DDr. Wilhelm Engel, Museumsdirektor