Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

510 Literaturberichte leistung sprechen. Daß eine solche allen Anforderungen gerecht werden kann, ist von vornherein ausgeschlossen. Wie weit der Verf. das Mögliche erreichte, wird erst nach Abschluß des Werkes beurteilt werden können. Ob es optisch glücklich war, ein Handbuch, — denn um ein solches handelt es sich letzten Endes — das in erster Linie den Historiker angeht, in einer rechtswissenschaftlichen Reihe erscheinen zu lassen, darf bezweifelt werden. Mit Rücksicht auf Leser aus Juristenkreisen muß St. immer wieder auf Fragen eingehen, die er sich bei einem nur für Historiker bestimmten Werk hätte erspai’en können; trotzdem bleibt es zweifelhaft, ob das Buch dem Juristen viel zu sagen hat. Es kann — schon was die Fülle des juridischen Materials betrifft — mit dem Buch von Wegner nicht in ernsthafte Konkurrenz treten. St. sieht das Thema vom Standpunkt der Geschichts­wissenschaft, er bringt, was den Historiker interessiert, nicht, was der Jurist braucht. Das Werk wird, wenn es abgeschlossen vorliegt, doch nur in die Hand der Neuhistoriker (Studierende und Forscher) gehören. Der Verf. hat sich schon frühzeitig, im Zusammenhang mit Forschun­gen unter der Leitung von Heinrich Finke über die päpstliche Schieds­gerichtsbarkeit im Hochmittelalter mit Fragen des Völkerrechts befaßt. Infolge seiner Tätigkeit in der letzten Zeit des Krieges und später wurden für ihn grundsätzliche völkerrechtliche Fragen zu einem persönlichen An­liegen. Die Krise der Gegenwart kann nach St. nur durch eine Rückbesin­nung auf das Naturrecht überwunden werden, deren erste Anzeichen er z. B. im Nürnberger Prozeß zu erkennen glaubt. So ist die Grundhaltung des Buches durchwegs von naturrechtlichen Anschauungen bestimmt, was bei einer Geschichte des Völkerrechts seine volle Berechtigung besitzt. Der Verf. beginnt zum Unterschied von Wegner bereits mit der vorgeschichtlichen Zeit, wobei die Anwendung vom aus der Soziologie stammenden Kategorien nicht unbedenklich sein dürfte. Er berücksichtigt ferner neben dem alten Orient auch die Kulturen Süd- und Ostasiens. Die Datierung des Vertrags zwischen Ramses II. und dem Hettiterkönig Chattuschill III. (S. 19) entspricht nicht mehr dem Stand der Forschung. Ausführlicher wird die Behandlung des Völkerrechtes bei den Griechen und Römern. Mit Recht wird in einem eigenen Abschnitt die zentrale Bedeutung des Christentums für die weitere Entwicklung hervor­gehoben, da das Friedensreich der Kirche zum ersten Mal in der Idee die ganze Menschheit umfaßt. Sehr breit angelegt ist die Behandlung des Mittelalters, die neben der abendländisch-katholischen auch die arabisch-islamische und die byzanti­nisch-orthodoxe Welt berücksichtigt. Dabei werden die vom Völkerrecht oft schwer zu trennenden staatsrechtlichen Verhältnisse (Lehnrecht) ein­gehend erörtert. Hervorzuheben sind auch die Ausführungen über die Gottesfriedensbewegung; viele Probleme, wie z. B. die Zweischwerterlehre, können bei der straffen Darstellung nur leicht berührt werden. Mehr geboten wird über Städtebünde und hier bei der Hanse besonders viel über das Seerecht im Mittelalter, wobei sich der Verf. vor allem auf die Unter­suchungen R ö r i g s stützen kann. Der Abschnitt über Venedig und die Seemächte im Mittelmeer bringt u. a. auch einen kurzen Überblick über die Entwicklung zum neuzeitlichen Gesandtschaftswesen.

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