Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

NECK, Rudolf: Diplomatische Beziehungen zum Vorderen Orient unter Karl V.

Diplomatische Beziehungen zum Vorderen Orient unter Karl V. 69 kamen im Jahr 1527 neuerdings Hilferufe an den Kaiser von seiten des Patriarchen von Antiochia und der libanesischen Christen, die seit der türkischen Eroberung Bedrängnissen ausgesetzt waren, die sich von der vorhergegangenen gemächlichen Herrschaft der Mamluken schmerzhaft unterschieden31). Aus den beiden vorhandenen Schreiben ist zu entnehmen, daß bereits zwei Gesandtschaften mit demselben Anliegen an den Kaiser abgegangen waren — eine war vielleicht die des Petrus Maronita — ohne diaß eine Antwort oder Rückkehr der Gesandten erfolgt wäre. Neben auf­schlußreichen Einzelheiten über das Leben der Christen im Heiligen Land enthalten die Briefe auch konkrete Forderungen nach militärischer Unter­stützung eines für April 1528 geplanten Aufstandes, sowie allgemeine Vor­schläge zur Einrichtung der staatlichen und kirchlichen Verwaltung des Landes nach der erhofften Eroberung durch kaiserliche Truppen; dabei tritt eine weitgehende Toleranz gegenüber den muslimischen Mitbürgern, deren Unterstützung man sicher schien, und eine tiefverwurzelte Abneigung gegen Griechen und Juden in Erscheinung. Bemerkenswert im Schreiben des Patriarchen ist auch der Hinweis auf die alten Kaiserprophetien, die Fahrt des Erretterkaisers nach dem Osten. Im Hinblick auf den Namen Karl dürfte dabei eine Vermengung der deutschen Friedrichs- mit der fran­zösischen Karlssage vorliegen32). Von einer Antwort des Kaisers ist nichts bekannt, doch trat er jetzt dem Gedanken an ein größeres Unternehmen näher. Nicht nur die burgun- disch-spanische Familientradition und sein Kaiserbewußtsein verpflichteten ihn der Kreuzzugsidee33). Die spanische Mittelmeerpolitik wies in die glei­che Richtung 34) und seit sein Bruder Ferdinand nach Mohács die schwere Last der Verteidigung Mitteleuropas gegen den Osten auf seinen Schultern ruhen hatte, drängte er den Kaiser, zur Entlastung ein Bündnis mit den Persern zu schließen, welchen Vorstellungen sich Karl nicht zu entziehen vermochte 3S). Nachbarländer zur Zeit des hl. Franz Xaver (1538—1552), Leipzig 1932, S. 361, Nr. 4990). Alle diese Angaben beziehen sich noch auf die Gesandtschaft des Petrus Maronita. 31) Anhang 2 A und 2 B. 32) F. K a m p e r s, Kaiserprophetien und Kaisersagen im Mittelalter. (Histo­rische Abhandlung 8. Heft), München 1895, S. 45 ff. Ders.: Vom Werdegang abendländischer Kaisermystik, Berlin 1924, S. 129 ff. Vergl. auch R. Eber­mann, Die Türkenfurcht, Diss. Halle 1904, S. 56 ff. 33) J. H u i z i n g a, Herbst des Mittelalters, 5. Aufl., Stuttgart 1939, S. 88 f., 132f. R. Trevor-Davies, Spaniens goldene Zeit, München 1939, S. 80. P. R a s s o w, Die Kaiser-Idee Karls V. dargestellt an der Politik der Jahre 1528—1540 (Historische Studien, Heft 217) Berlin 1932, S. 85 ff. Ders.: Die poli­tische Welt Karls V., München 1942, S. 76. 34) P. H e r r e, Mittelmeerpolitik im 16. Jahrhundert (Hist. Vierteljahrschr. 9., 1906, S. 337ff.). 35) Ferdinands Instruktion für Sanchez 1528 vor August 12. (Belgien PA, Fasz. 4), bei J. K ü h n e, Reichstagsakten 7. Bd., Stuttgart 1935, Nr. 1276, S. 361)

Next

/
Oldalképek
Tartalom