Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

AUER, Erwin M.: Kulturgeschichtliche Ordensforschung

308 Erwin M. Auer interessieren. Nur wenn diese von kulturhistorischer Seite gestellten Fragen forschungsmäßig Berücksichtigung finden, wird die Ordenskunde ihre Stel­lung als historische Hilfswissenschaft behaupten können. Während die meisten der älteren Ordensgeschichten ihre Schilderung mit der Gründung oder dem Abdruck der Gründungsurkunde der jeweiligen Einrichtung einsetzen lassen, will der Historiker darüber hinaus Wesent­liches schon über die Vorgeschichte17) erfahren, die oft beachtens­werte Einblicke iin die Zeitverhältnisse gewährt. So sah z. B. Feldzeug­meister Graf Daun während der Jahre 1749 und 1750 in der Errichtung eines Militärischen Ehren-Ordens ein wirksames Mittel dafür, auch mehre- res Verlangen und Begierde zu erwecken, in den Soldathen Stand einzu- tretten18). Der 1757 für Offiziere gestiftete österreichische Maria The- resien-Orden sollte also nach dem Konzept seines Anregers auch das damals stark zusammengeschmolzene Offizierskorps auffrischen. In dieser Sicht bietet die Vorgeschichte dieses Ordens neben anderem ebenso Aufschlüsse über die Zustände in der österreichischen Armee wie ein anderes, zur Vor­geschichte des Leopolds-Ordens gehöriges Dokument die Verhältnisse auf dem Gebiet des Ordenswesens in den beiden Königreichen Galizien um 1804 bis 1806 darstellt. Wir erfahren daraus, daß trotz eines von öster­reichischer Seite erflossenen strengen Verbotes damals der polnische Stanis­laus- und Adlerorden in den neuerworbenen Gebieten weiter getragen wurde. Um dies nun für die Zukunft zu verhindern, wurde die Schaffung eines neuen Ordens angeregt, der nicht nur Staatsbeamten und Militär­personen, sondern auch Zivilisten verliehen werden könnte. Dieses bemer­kenswerte Dokument, das den Anstoß zur Gründung des österreichischen Leopolds-Ordens gab, wurde verschiedener für seine Zeit allzu modernen Ideen wegen nicht der für Ordenssachen zuständigen Hofkanzlei und damit dem Kanzler Metternich übergeben, sondern der anderen Personen nicht zugänglichen Handregistratur des Kaisers Franz I. einverieibtI9). Ordens­geschichte kann eben, wie bereits betont wurde, nicht allein aus dem Ordens­archiv geschöpft werden, sondern es sind auch die übrigen dafür in Be­tracht kommenden Archivbestände zu prüfen. Daß zugleich mit der Vor­geschichte meist auch die interessanten Motive für die Namensgebung des betreffenden Ordens und damit für die Wahl der Tage einzelner Ordens­feste aufgehellt werden können, sei nur am Rand erwähnt. Der Historiker ist sich des Wertes einer verläßlichen numismatischen Beschreibung der Ordenskleinode, der Kollanen und der Bän­der bewußt, doch fragt er weiter nach dem Verfertiger der Entwürfe zu den Kleinodien. Selbst für im vorigen Jahrhundert gestiftete Orden findet sich der entwerfende Kunsthandwerker, meist ein Juwelier, nicht in den Akten des Ordens genannt und noch schwieriger wird es, wenn ein 17) Das Klietmann-Neubeckersche Ordens-Lexikon berücksichtigt in knapper Form als Punkt 3 die jeweilige Vorgeschichte, soferne diese bereits bearbeitet ist. 18) Kriegsarchiv-Wien, MTO-Archiv, Bund 152, Varia Fasz. X, A 1, föl. 1 v. — Vgl. hiezu auch E. M. Auer, Der Maria Theresien-Orden, in: Numism. Zs., 74. Bd., Wien 1951, S. 108 f. io) Vgl. Derselbe, Rudolfs-Orden, Franzens-Orden, Leopolds-Orden, in: Numism. Zs., 73. Bd., Wien 1950, S. 151 ff.

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