Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 177 sehen Standpunktes, Bernhard Singer, in seinem Buch von 1879, wo auch er die Konvention im Sinne von Ristic auffaßte 207). So konnte Ristic mit besseren Aussichten seine Verzögerungstaktik anwenden und aus dem Ver­halten Rußlands und der Schützenhilfe der Vertreter verschiedener anderer Mächte Nutzen ziehen 208). Nachdem aber Haymerle den österreichischen Standpunkt wiederholt dargelegt hatte, ließ er nicht mehr locker; schon anläßlich der Aus­führung der ersten Instruktion vom 29. Oktober hatte Herbert dem serbischen Außenminister das Versprechen abgenommen, einen Modus zu finden, um dem Verlangen Haymerles zu entsprechen 209). Als sich Ristic nun diesem durch die Reise nach Nis zu entziehen suchte210), schickte ihm Haymerle seinen Vertreter auch dorthin nach, um „bei Seiner Hoheit dem Fürsten sowie bei dessen Regierung unter Darlegung der Motive, die uns zu diesem Schritte bestimmen, in unserem Namen auf einer raschen Erledigung dieser Angelegenheit zu bestehen und unserer zuver­sichtlichen Erwartung Ausdruck zu geben, daß die fürstliche Regierung sich bestimmt fühlen werde, nun ohne Verzug und sofort nach Neujahr einen Vertreter mit den nöthigen Vollmachten ausgerüstet nach Wien zu entsenden, damit die vertragsmäßig vorgesehene Eisenbahn-Übereinkunft mit Serbien zum Abschluß gebracht werden könne.“ Im entgegengesetzten Fall „müssen wir ihr (der serbischen Regierung) dagegen unumwunden eröffnen, daß wir entschlossen sind den uns vertragsmäßig zustehenden Rechten in vollem Umfange Geltung zu verschaffen“ 211). Dieser drohende Ton, der den hellen Jubel von Källays Belgrader Ver­trauten, des Konsuls Anger, auslöste, verfehlte nicht die Wirkung212). Herbert kehrte aus Nis erst zurück, nachdem die Person des serbischen Delegierten für die Eisenbahnvertragsverhandlungen festgesetzt war213). Aber Ristic gab mit bewundernswerter Geschicklichkeit nicht unbedingt nach; auch Österreich mußte sich bescheiden. Ristic hatte sich nach den mißlungenen Versuchen, durch die Forderung nach dem Zusammentritt der Vierer-Kommission den Bau aufzuschieben, auf die Erleichterung versteift, daß Serbien wenigstens nicht beide An­schlußlinien in der Zeit von drei Jahren ausbauen müsse, da ja der türkische und bulgarische Anschluß sowieso noch nicht sichergestellt seien. Er war entschlossen, zu demissionieren, wenn Österreich nicht zugeben würde, die Bahnstrecke Nis—Pirot erst zu einem späteren Zeitpunkt auszubauen. Den österreichischen Drohungen begegnete er in dieser Zeit mit den Worten: „Was könnt ihr uns machen? Ihr könnt Serbien okkupieren; das wäre für uns ein politisches Unglück. Wenn wir jedoch eine Klausel annehmen, die unseren finanziellen Ruin nach sich zöge, würden wir das Land in ein noch viel größeres ökonomisches Verderben stürzein“ 214). Dem serbischen Dele­gierten, der zu Verhandlungen in Wien weilte, schärfte er nochmals ein, daß er in dieser Frage keine Konzession machen dürfe215). So ermöglichte schließlich Österreich den Abschluß des Vertrages am 9. April 1880, indem 12 Mitteilungen, Band 5

Next

/
Oldalképek
Tartalom