Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

172 Ferdinand Hauptmann Größte Vorsicht war also bei Einschätzung der serbischen Politik ge­boten. So bestand das nächstliegende Interesse Österreichs darin, dem ser­bischen Nachbar alle Hoffnungen auf mögliche auswärtige Unterstützung zu zerstören, um ihm dadurch die wahre Lage und das österreichisch-ser­bische Kräfteverhältnis klar vor Augen zu bringen. Zu diesem Zwecke holte Haymerle vorerst genaue Erkundigungen über den bevorstehenden Balkan­bund ein. Die Nachrichten liefen aus Belgrad, Bukarest, Sofia, Athen und Kon- stantinopel ein, und es war auffallend, daß sie Belgrad als den Punkt be- zeichneten, wo die russisch-italienischen Bemühungen das meiste Gehör fänden. Die türkische Regierung bezeichnete Ristic als den Mann, der ganz unter russischem Einflüsse stehe und der Türkei sowie Österreich noch alle möglichen Schwierigkeiten bereiten werde177). Der griechische König machte die österreichische Regierung auf die Zusammenkünfte zwischen Ristic und Tornielli aufmerksam, die unter Persianis Vermittlung zustande­kämen178). Der König wußte zu berichten, wie man in den projektierten Balkainbund auch Griechenland einbeziehen wolle, aber „soweit sind wir fürs Erste noch nicht, uns zum Instrumente serbischen und bulgarischen Ehrgeizes herzugeben. Im Gegenteil! Ich verfolge mit der größten Auf­merksamkeit alle Erscheinungen, die mit jenen Gerüchten Zusammen­hängen, nicht um die denselben allenfalls zugrundeliegenden Pläne zu för­dern, wohl aber um dieselben zu vereiteln, wo’s Noth thäte, soweit wenig­stens dies in meiner Macht liegt... Es wäre doch nicht übel, wenn Öster­reich-Ungarn im Vereine mit Griechenland nicht im Stande wäre, diese Machinationen aufzudecken und lahm zu legen“ 179). Noch Positiveres hörte man aber aus Bukarest. Hier warf sich Fürst Sturdza zum Förderer des Balkanbundes unter russischem Protektorate auf, mit solchem Erfolge, daß er diesen Plan im Senat offen entwickeln konnte und sich bei dieser Ge­legenheit keine Stimme dagegen erhob18®). Nun wünschte aber Haymerle noch „im Wege unauffälliger Erkundi­gung zu erfahren, inwieferne das Zustandekommen einer solchen Confede­ration bereits Gegenstand einer Verständigung oder vorbereitenden Be- rathung zwischen den Fürsten der betreffenden Länder oder ihren Regie­rungen wurde“ 181). Der österreichische Botschafter beim Sultan, Graf Zichy, meldete darüber, daß Serbien in Rumänien zu wiederholten Malen sondiert habe, aber weder dort, noch in Griechenland erfolgreich gewesen wäre182). Kállay, des kaiserlichen Außenministers rechte Hand, war eben­falls der Ansicht, daß ein ernster Schritt in dieser Hinsicht von irgend einer Seite noch nicht gemacht worden sei, trug aber trotzdem dem Grafen Khevenhüller in Sofia auf „ ... den Gegenstand natürlich streng vertraulich und nur beim Fürsten persönlich, als ein Gerücht zur Sprache zu bringen. Auch bei dieser Gelegenheit wollen dann EW. den Fürsten auf die ernsten Gefahren eines solchen Bündnisses aufmerksam machen und ihm besonders bemerken, daß seine bisher vollkommen korrekte Haltung ... durch ein

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