Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 153 Annahme seitens des Fürsten diesem und dem Lande gegenüber in eine Stellung kämen, die es gegen unseren Wunsch uns unmöglich machen würde, ihnen zu nützen“ 5ä). Da die Verwendung Österreichs zugunsten Serbiens damals bei der Türkei sehr in die Waagschale fiel — wollte doch die Türkei als erste Friedensbedingung die Absetzung des Fürsten Milan durchsetzen S3) — so strich die serbische Regierung doch indirekt die Segel, indem sie die Königsproklamation einfach totschwieg54). Etwas später, als Serbien zwischen Krieg und Frieden schwankte, schwirrte noch einmal das Gerücht umher, daß sich selbst Regierungskreise einer Selbständigkeits­erklärung Serbiens nicht unzugänglich zeigten, um auf diese Weise doch mit einem positiven Resultate aus dem Kriege hervorzugehen 5S). Da jedoch der erneuten Kampfaufnahme die serbische Niederlage bei Dunis folgte und anschließend der Waffenstillstand56), wurde solchen Plänen alsbald der Boden entzogen. Aber schon damals wies Wrede darauf hin, daß ein rumänischer Schritt in dieser Frage sofort den serbischen nach sich ziehen würde. „Man scheint überhaupt in dieser Angelegenheit hier die Initiative des anderen Vasallenstaates abwarten zu wollen“ 57). Im Jahre 1878 nahm die Nachbarmonarchie den gleichen Standpunkt ein. Energisch bestritt sie die Analogie des Falles, auf den sich die Serben in Anbetracht Rumäniens beriefen. Der dem rumänischen Fürsten zuge­billigte Titel sei ihm als einem Mitgliede des Hohenzollernhauses gegeben worden, nicht aber als dem Fürsten von Rumänien. Aus diesem Grunde könnte Milan, nach der Meinung Andrássys, keinen Anspruch auf den Königstitel erheben. Der österreichische Außenminister fügte noch hinzu, daß sich seiner Überzeugung zufolge auch die übrigen Mächte diesem Plane wenig geneigt zeigen würden58). Für die Monarchie handelte es sich in dieser Angelegenheit nicht nur um die Durchsetzung der Ordnung, welche die Großmächte auf dem Ber­liner Kongreß auf gestellt hatten, sondern auch darum, den Wert ihrer bisherigen Gunstbezeugungen Serbien gegenüber nicht überbieten zu lassen. Da man die Rückwirkungen eines serbischen Königtums auf die innen­politischen Verhältnisse der Monarchie befürchtete, andererseits aber doch auch ein Entgegenkommen zeigen wollte, hatte man nämlich im September 1878 der serbischen Regierung mitgeteilt, daß sich der Kaiser im Prinzipe einverstanden erklärte, dem Fürsten den Titel „Hoheit“ zuzugestehen. Gleichzeitig wurde die Rangerhöhung des österreichischen Vertreters in Serbien angekündigt, worin Rußland allerdings Österreich schon zuvor­gekommen war59). In der Titelfrage war aber Österreich den anderen Mächten zuvorgekommen; erst ein paar Wochen später wußte Andrássy mitzuteilen, daß die Mehrzahl der Großmächte sich geneigt zeige, den Hoheitstitel dem Fürsten Milan zuzugestehen60). Da aber die Mächte ihre Zustimmung amtlich anscheinend noch gar nicht gegeben hatten, mußte der österreichische Schritt einen gewissen Eindruck machen.

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