Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
150 Ferdinand Hauptmann der Besetzung Bosniens und der Verzögerung der Verhandlungen mit Serbien, daß die Monarchie längst nicht so stark war, wie es die Konvention und die Kongreßbeschlüsse vorspiegelten. Als endlich im Juni 1879 die Aufforderung nur zum Beginn der Verhandlungen über den Eisenbahnvertrag einlangte31), bestand Ristic’ Antwort eigentlich in einer offenen Absage: er wiederholte seine Forderung nach vorhergehendem Zusammentritt der Viererkommission. Um aber „den Beweis des guten Willens zu liefern . .. die auf sich genommenen Verbindlichkeiten zu erfüllen“, beschloß er, seinen Bautenminister, den General Alimpic, nach Wien zu senden, der sich aber über die Vorschläge nur zu informieren hatte. Würde sich damn heraussteilen, daß es Punkte gebe, die ohne die Viererkommission, allein zwischen Österreich und Serbien lösbar seien, so sei er zu Verhandlungen bereit32). Österreich hatte sich auf diesen Einwurf vorbereitet. Die Instruktion für seine Unterhändler gab als Grund für die Notwendigkeit einer vorhergehenden österreichisch-serbischen Abmachung die Schwierigkeit an, gleichzeitig mit drei Mächten zu verhandeln (Serbien, Bulgarien, Türkei), ferner, daß Serbien seine Bahnen erst von Grund aus bauen müsse, während das bei Bulgarien und der Türkei nicht mehr der Fall sei, also diese schneller den Anschluß zuwege bringen könnten. Belehrt durch die bitteren Erfahrungen des seinerzeitigen türkischen Eisenbahnbaues wollte Österreich nun zuerst die serbische Strecke von Belgrad aus bauen lassen, um wegen der englischen Konkurrenz den Anschluß nach Saloniki und Konstantinopel erst zu vollziehen, wenn die ganze Strecke fertig sei. Aus allen diesen Gründen wünsche Österreich zuerst den Vertrag allein mit Serbien abzuschließen und dann erst gemeinsam mit Serbien an der Anschlußfrage zu arbeiten33). Alimpic war nicht Ristic ... Er betonte zwar auch den informativen Charakter der Reise nach Wien, nahm .aber mit den österreichisch-ungarischen Vertretern in Wien (8.—12. VII. 1879) Punkt um Punkt die Vorschläge durch, und das Resultat war ein vorläufiges, aber vollständiges Einverständnis über den serbischen Eisenbahnvertrag. Nur die Genehmigung beider Regierungen fehlte34). Im gleichem Monat wies Alimpic gegenüber dem österreichischen Vertreter in Belgrad nochmals auf die ernste Absicht seiner Regierung hin, den Eisenbahnvertrag baldigst abzuschließen, aber dann wurde es um die Angelegenheit wieder still35). Daß die Monarchie nicht energischer die Verhandlungen betreiben konnte, sondern wieder einmal in ihre passive Zuschauerrolle verfiel, hatte seinen Grund in der noch immer unausgetragenen Differenz zwischen der österreichischen und ungarischen Regierung über die ungarische Anschlußstrecke: Zemun—Budapest oder Zemun—Kikinda36). Ristic benützte diese Verzögerung, um sich auch Zeit zu lassen und erst nach einem Vierteljahr antwortete er — negativ. Er fand nach eingehendem Studium der Vorschläge, daß es unmöglich sei, die Eisenbahnfrage auf einen öster