Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 47 Die Immunitätsgerichtsbarkeit entspricht demnach etwa der Gerichts­barkeit, die der Unterbeamte des Grafen ausübt; es ist also die niedere Gerichtsbarkeit. Die hohe Gerichtsbarkeit im Immunitäts­bezirk war daher in der fränkischen Zeit noch immer dem öffentlichen Beamten, dem Grafen, Vorbehalten. Der Immunitätsherr konnte die ihm übertragenen öffentlichen Befugnisse, insbesondere die Gerichtsbarkeit, entweder selbst ausüben oder durch einen Beamten, der meist als Vogt bezeichnet wurde, ausüben lassen; dies war vor allem bei den kirchlichen Immunitäten der Fall. Im Laufe des 9. und im 10. Jahrhundert treten Anfänge von bedeutsamen Weiterentwicklungen der Immunitäten in Erscheinung. Die Immunität will sich räumlich und inhaltlich erweitern. 1. Zunächst war sie ja nur für das Gebiet der Grundherrschaft verliehen; sie lag daher wie diese meist in Streulage. Man suchte nunmehr das Immunitätsgebiet durch Kauf, Tausch, Schenkung, aber auch durch Gewalt allmählich abzurunden und räumlich möglichst geschlossen zu gestalten. Darüber hinaus aber hat dann der König den Immuni­tätsherrn die in der Immunität enthaltene öffentliche Gewalt auch auf die von dem mit Immunität begabten Grundbesitz eingeschlossenen, von der Immunitäts-Grundherrschaft unabhängigen freien Grund­besitzer übertragen. So tritt die Immunität über den Raum der Grundherrschaft, für den sie ursprünglich gedacht war, hinaus; Immunität und Grundherrschaft beginnen sich zu trennen; es ent­steht die sogenannte Bannimmunität. 2. Die Immunität strebt immer mehr auch die Befreiung von der hohen Gerichtsbarkeit des Grafen an, sodaß also inhaltlich das Immunitätsgericht in gewisser Hinsicht parallel zum Grafengericht trat. Die geistliche Immunität erreichte im Laufe des 10. Jahrhunderts ihren Höhepunkt; die ottonischen Privilegien räumen den Bischöfen die volle gräfliche Gerichtsbarkeit einschließlich der schweren Kriminalfälle ein; die kirchliche Immunität bzw. die Vogtei, d. h. die rechtliche Stellung des mit der Wahrnehmung der Immunitätsrechte betrauten Beamten des kirchlichen Immunitätsherrn, wird der Grafschaft bzw. der rechtlichen Stellung des Grafen ebenbürtig1). Im Stadium des Besitzes der hohen Gerichtsbarkeit haben daher die Immunitäten die Grafschaft, also den ordentlichen Verwaltungs- und Gerichts­bezirk des Grafen, durchlöchert 2). b Vgl. Mitteis, Staat des hohen Mittelalters, S. 125. 2) Vgl. Below, Georg von: Der deutsche Staat des Mittelalters. 2. Aufl., Leipzig 1925, S. 231 ff., 239 ff.

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