Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

42 Leo Santifaller nur schlagwortartige Kurzkonzepte oder Yorakte; ein Vollkonzept finden wir zum ersten Male für die Urkunden König Arnolfs von 892 für St. Gallen. Zum Jahre 854 aber berichten die Casus S. Galli, daß Ludwig der Deutsche bei der Ausstellung einer Urkunde für St. Gallen die Anfertigung eines Konzeptes befohlen hat. Unser Diplom für Salzburg zeigt keine Beschneidung des Pergaments, so daß wir in unserem Falle kaum an die Abfassung eines Konzeptes zu denken haben. Bei unserem Immunitätsdiplom handelt es sich um eine immer wiederkehrende und daher den Kanzleibeamten völlig geläufige Formel, welche die Notare sehr wahrscheinlich ohne Schwierigkeiten aus dem Gedächtnis zu reproduzieren vermochten 1). Die Anferti­gung eines besonderen Konzeptes war daher in diesem wie such in den sehr zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen überflüssig. Wenn Diktator und Schreiber einer Urkunde verschiedene Personen waren, so ist es wohl denkbar, daß in derartig einfachen Fällen der Diktator dem Schreiber die Reinschrift unmittelbar in die Feder diktiert oder zumindest Anweisung gegeben hat, welche Formel er zu verwenden hat. Das Konzept sollte wohl dem König vorgelegt werden und dieser hat nach erfolgter Überprüfung den sogenannten Fertigungs­befehl 2) erteilt, d. h. den Befehl zur Herstellung der Original­ausfertigung. Dieses umständliche Verfahren wird uns von Ludwig d. D. berichtet. Im allgemeinen und insbesondere unter Ludwig d. Fr. hat sich der Vorgang sicherlich wesentlich einfacher gestaltet. Meistens, und so auch in unserem Falle, sind jedenfalls alsbald nach Erteilung des königlichen Beurkundungsbefehles, soweit dies nötig war, Konzept und sodann Reinschrift angefertigt worden, ohne daß der Herrscher in diese Stadien des Beurkundungs­geschäftes eingegriffen hätte. Es erfolgte sodann zumindest in der Kanzlei eine Revision der Reinschrift und nötigenfalls die Anbringung von Korrekturen, wie dies auch in unserer Urkunde durch die Hand des Schreibers geschehen ist. Daraufhin wurden durch den Kanzlei­chef oder durch dessen Stellvertreter die Rekognition angebracht, die tironischen Noten eingetragen und, soweit dies nicht bereits geschehen war, die Datierungszeile geschrieben bzw. ergänzt. In unserer Urkunde wurden sowohl Rekognition wie auch tironische *) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 126 ff.; Bresslau, UL. 2, S. 135 f.; Stengel, Immunität, S. 599. 2) Vgl. Bresslau, UL. 2, S. 159 ff.; Kehr, Kanzlei Ludwigs d. D., S. 5.

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