Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 39 steherschaft der Kapelle verbunden und 870 gehen beide Ämter, das Erzkanzleramt und das Erzkapellanat, an den Erzbischof von Mainz über. Damit setzt die nur selten unterbrochene tausendjährige Verbindung dieser höchsten Reichs- bzw. Hofämter mit der ersten Metropole des Reiches ein. Die Mitglieder des unter dem Kanzleichef stehenden Kanzlei­personals, die seit Ludwig d. Er. den offiziellen Titel notarius führen, gliedern sich in zwei Gruppen, u. zw. in solche, die befugt sind, in Vertretung des Kanzleichefs zu rekognoszieren, und in solche, denen diese Befugnis nicht zusteht. Unter diesen 16 uns dem Namen nach bekannten rekognitionsberechtigten Notarenx) ragen zur Zeit Ludwigs d. Er. zwei besonders hervor: die Diakone Durandus und Hirminmaris. Diese beiden Männer haben viel häufiger als ihre Kollegen die Rekognition ad vicem des Chefs vollzogen 1 2); Urkunden aber haben sie selbst nicht mehr geschrieben, das eigentliche Schreib­geschäft überließen sie dem subalternen Personal. In den tironischen Noten aber werden die beiden wiederholt als Vorgesetzte der anderen Beamten bezeichnet3). Aus dieser nun, wie es scheint, dauernden Stellvertretung des Kanzleivorstandes hat sich in der Folge das Kanzleramt entwickelt 4). Die nicht als Rekognoszenten tätigen Notare kennen wir im allgemeinen nur aus ihrer Handschrift oder aus ihrem Diktat; dem Namen nach ist uns nur ein einziger, der scriptor regius Bertcaud 836 bekannt5). Konzipisten (Diktatoren) und Schreiber (Skriptoren) lassen sich im übrigen in dieser Zeit nur in einzelnen Fällen bestimmter unterscheiden. Mitunter wird der Name des Diktators in den tironischen Noten einer Urkunde ausdrücklich genannt, und dabei erfahren wir, daß sogar in der Mehrzahl der Fälle der Kanzleichef oder sein Ver­treter das Diktat geliefert haben. In vielen Fällen haben sicherlich die Schreiber die stilistische Fassung der von ihnen zu schreibenden Urkunden selbst bestimmt 6). 1) Siehe das Verzeichnis bei Sickel, Acta 1, S. 324 ff.; Mühlbacher, Regesten, S. CIXf.; Bresslau, UL. 1, S. 386 f. 2) Sickel, Acta 1, S. 324 ff.; Bresslau, UL. 1, S. 375. 3) Vgl. Bresslau, UL. 1, S. 375 f. 4) Vgl. Erben, S. 65 ff.; Tangi, M.: Forschungen zu Karolinger Diplomen. In: Archiv f. Urkundenforschung, Leipzig, Bd. 2, (1909), S. 180 f. 5) Vgl. Bresslau, UL. 1, S. 376 f., 387. 6) Vgl. Bresslau, UL. 1, S. 376, 2, 135.

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