Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

36 Leo Santifaller weitesten verbreitete Art der Jahresbezeichnung in den mittel­alterlichen Königsurkunden. Bei Ludwig d. Fr. haben wir nur die Angabe der Kaiserjahre, während sich z. B. bei Karl d. Gr. seit der Kaiserkrönung eine dreifache Angabe findet, u. zw. die Jahre als fränkischer und als italienischer König und die Kaiserjahre. Wichtig ist die Ermittlung der Epoche, nach welcher die Regierungsjahre gezählt wurden, denn es konnten dafür verschiedene Ereignisse zugrunde gelegt werden, z. B. Wahl, Salbung, Krönung, tatsächlicher Regierungsantritt usw. Bei Ludwig d. Fr. hat man mit dem Tode des Vaters, also mit 28. oder 29. Januar 814 eine neue Zählung der Kaiserjahre begonnen J). Seit 802 wird als zweite Jahresangabe in den karolingischen Königsurkunden die Indiktion angeführt. Sie ist eine der am häufigsten verwendeten Jahresbezeichnungen des Mittelalters; ihr Zyklus ist löjährig und beginnt zurückgerechnet drei Jahre vor der christlichen Zeitrechnung; die Anzahl der ver­flossenen Zyklen wird selten berücksichtigt, meist wird nur die Zahl des Jahres innerhalb des Zyklus angegeben. Auch bei der Indiktion ist die Kenntnis der Epoche wichtig, denn es gab da drei Möglich­keiten, den 1. September, die sogenannte griechische Indiktion, den 24. September, die Bedaische und den 25. Dezember oder 1. Januar, die Neujahrsindiktion. Unter Karl d. Gr. und in den früheren Jahren Ludwigs d. Fr. war wahrscheinlich die griechische Indiktion gebräuch­lich; später ist die Kanzlei Ludwigs d. Fr. zur Neujahrsepoche übergegangen. Die Ortsangabe kommt bereits in den mero- wingischen und langobardischen Diplomen vor und findet sich auch seither in den mittelalterlichen Königsurkunden. V. Die Kanzlei und die Herstellung der Urkunde. 1. Die Kanzlei. Kanzlei im Sinne der Urkundenforschung ist eine geordnete Beurkundungsstelle, d. h. eine Stelle, welche die Rechtstätigkeit eines bestimmten Macht- oder Lebenskreises oder auch einer Einzel­persönlichkeit in urkundliche Formen bringt, oder kurz gesagt eine Stelle, welche die Schreibgeschäfte und damit die Herstellung der Urkunden eines solchen Kreises bzw. einer solchen Persönlichkeit besorgt. Das Vorhandensein einer solchen geordneten Beurkundungs- 1 1) Vgl. Mühlbacher, Regesten, n. 811c; Erben, S. 329.

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