Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)
SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs
Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 31 Faktoren beruht jeweils auch die Weiterentwicklung der Formel. In den Merowingerdiplomen wird die Datierung stets eingeleitet durch datum, darauf folgt Tag, Regierungsjahr, Ort und Apprekation. In den Karolingerdiplo men findet sich regelmäßig data mit Tag und Regierungsjahr und dann kommt die Neuerung auf, daß dem Ortsnamen actum vorausgeht. Das actum ist aus der Privaturkunde, u. zw. im besonderen aus den Hausmeierurkunden in die karolingischen Diplome übergegangen; aus derselben Quelle stammt auch die später auftauchende nähere Bezeichnung des Ausstellungsortes, wie z. B. in unserer Urkunde palatio regio. Neu ist ferner, daß seit 800, also in der kaiserlichen Periode Karls d. Gr., die Jahresangabe der Indiktion eingeführt wird. Die Gestaltung des KontextesJ) der Königsurkunde erfuhr unter Ludwig d. Fr. umfassende und durchgreifende Änderungen. Die allgemeine Disposition aller Urkundentexte, die sogenannten rhetorischen Teile der Diplome und die in ihnen stets wiederkehrenden Gedanken, die Bestimmungen der einzelnen Urkundenarten und deren Aufeinanderfolge sowie das Streben nach feierlichem Ausdruck, das alles haben auch die Urkunden Ludwigs d. Fr., anschließend an die Diplome der Vorgänger, beibehalten und auch der folgenden Generation überliefert. Aber innerhalb dieser Schranken vollzog sich doch eine sehr wesentliche stilistische und sprachliche Umbildung * 2). Ludwigs d. Fr. Kanzlei machte sich gänzlich frei von den älteren, noch unter Karl d. Gr. allgemein verwendeten sogenannten Markulf- schen Formeln und deren Supplementen und Umarbeitungen sowie von den übrigen zu Ende des 8. Jahrhunderts ausgebildeten Formeln; auch die Fassungen der Vorurkunden werden von ihr, im Gegensatz zum früheren und späteren Brauch, fast nie benützt, höchstens einzelne Wendungen aus ihnen herübergenommen3). Der Anlaß zu dieser Fort- bzw. Umbildung der Formeln lag aber nicht in der Fortentwicklung der in den Diplomen berührten Rechtsverhältnisse, denn zumeist besteht in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen den Urkunden bis 814 und denen nach diesem Jahre. Die Herstellung neuer Fassungen hatte einen anderen Grund. „Karls d. Gr. Bemühungen um Verbesserung der Sprache und des Stils“ — karolin*) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 108 ft.; Erben, S. 339 ft. 2) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 161. 3) Vgl. auch zum folgenden Sickel, Acta 1, S. 158ff., und Stengel, Edmund E.: Diplomatik der deutschen Immunitäts-Privilegien vom 9. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Innsbruck 1910, S. 8 ff.