Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 21 im besonderen die merowingische Urkundenkursive, an deren Stelle erst um das Jahr 860 die sogenannte diplomatische Minuskel ein­geführt wurde x). Die merowingische Urkundenschrift hat sich aus der spätrömischen Kursive entwickelt und tritt uns zu Anfang des 7. Jahrhunderts als vollentwickelte Urkundenkursive entgegen1 2). Als allgemeine Charakteristika dieser Schrift gelten: der aus­gesprochen kursive Charakter, d. h. die Verbindung der einzelnen Buchstaben untereinander, u. zw. in der Regel innerhalb des Wortes, denn die Worttrennung ist in dieser Zeit im allgemeinen bereits vorhanden. Ungleichmäßige Höhe der Buchstaben, Lang- gestrecktheit und Zusammenschnürung der Buchstaben, Hoch- und Steilstellung der Oberlängen, Spitzung und Steilstellung der Schäfte, etwas nach Linksneigung der ganzen Schrift; für diese Zeit ferner vor allem die leicht nach links ausgebogenen und in der Mitte ver­dichteten sehr langen, bis in die nächsthöhere Zeile reichenden Ober­längen von b, d, h und l; die Unterschäfte dagegen sind weit weniger entwickelt, u. zw. haben p und q etwas bedeutendere, r und s ganz kurze Unterlängen. Ist die fränkische Urkundenschrift der älteren Zeit im allgemeinen noch sehr unregelmäßig gehalten und schwer lesbar, so wird sie seit der Zeit Karls d. Gr., wie auch in unserem Stück, obwohl sie ihren kursiven Grundcharakter beibehält, doch unter dem Einfluß der zunächst in der Buchschrift durch­gedrungenen karolingischen Schriftreform immer regelmäßiger, kalligraphischer und deutlicher lesbar. Besonders charakteristische Buchstaben sind: das a in zwei Zügen etwa in der Form eines Doppel-c, oben offen, mit spitzen, dünnen, stark nach rechts abgebogenen Schäften, deren Krümmungen vielfach mehr eckig als gerundet erscheinen. Das c meist in der Form zweier übereinanderstehender c, überhöht und beim Ansatz des zweiten c eingekerbt. Das e ist in der Form dem eingekerbten und überhöhten c sehr ähnlich, ist aber meist kaum überhöht und hat häufig eine horizontale, etwas geschwungene Zunge. Der Horizontal­balken des g schließt links mit einem Bogen und hat in der offenen Unterlänge eine Schlinge, m und n haben meist etwas geschwungene, 1) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 299 ff.; Erben, S. 128 ff. 2) Vgl. auch für das Folgende: Bretholz, Berthold: Lateinische Paläo­graphie, 3. Aufl., Leipzig 1926, S. 77 ff.; Schiaparelli, Luigi: Note paleo- grafiche: Intorno all’origineedi caratteridellascritturamerovingica. In: Archivio Storico Italiano. Firenze, Serie 7, vol. 16 (1931), S. 169—195; Batteli, Giulio: Lezioni di Paleográfia, 2. Aufl., Citt& dei Vaticano 1939. S. 144 ff.

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