Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift
REGELE, Oskar: Staatspolitische Geschichtsschreibung – erläutert an Königgrätz 1866
304 Oskar Regele mit dem Bemerken: ,,. . . daß wir die traurigen Folgen erlittener Niederlagen . .. ohne gegenseitige Anschuldigungen und die Kameradschaft störende Rekriminationen . .. tragen“ zugesendet wurde. Benedek antwortete — wir folgen hier Heller — dem Erzherzog ganz spontan am 19. November 1866, er werde weiter schweigen wie bisher, was nichts anderes als ein Verharren bei dem einmal gefaßten Entschluß bedeutete. Wie wir wissen, hätte Benedek in der Voruntersuchung nicht nur frei und ganz nach Belieben aussagen können, er wurde hiezu sogar dringendst aufgefordert und der erwähnte Ministerrat vom 3. Dezember tadelte dieses Schweigen. Es liegen somit auch nicht die geringsten Spuren einer erpreßten Schweigepflicht vor. Soweit wir heute die Sache überblicken, können wir feststellen, daß die große Flut an Literatur seit dem 3. Juli 1866 und die geöffneten Archive auch nicht eine einzige sogenannte Enthüllung gebracht haben, so daß Alfred Krauss mit Recht die Frage stellen konnte1): „Also was sollte denn noch enthüllt werden können?“. Benedek hat sich durch sein Schweigen nichts gutes getan, denn es entstand dadurch eine Fülle von, wenn auch haltlosen Vermutungen und Verdächtigungen. Will man abschließend über Benedeks Schuld urteilen, dann gilt als sicher, daß nie von einer Allein- sondern nur von einer Mitschuld gesprochen werden darf, die sich außerdem auf einige wenige Fakten reduziert. Die Führung am Schlachtfeld hält nicht aller Kritik stand, Benedek verlor nach den Einleitungskämpfen die Sicherheit und das Vertrauen in sich selbst, während der Schlacht mehr Held unter den Truppen als Führer des Ganzen, während des Rückzuges bisweilen jener Haltung entbehrend, die andere Generale in bösen Lagen vorbildlich bewahrten wie etwa Conrad oder Pflanzer -Baltin. Wie wenig diese Fehler aber im Vergleiche mit der von Haus aus verlorenen Lage wogen, geht aus dem bisher Gesagten zur Genüge hervor. Schuldhaft könnte eher die Führung des Amtes des Chefs des Generalstabes sein. Systematisches und wissenschaftliches Vertiefen in die Wehrprobleme liebte Benedek nicht, das Exerziermäßige-Disziplinäre überwog bei ihm durchdachte taktische Schulung, der Generalstabschef war ihm nicht das geistige Zentrum der Armee, sondern nur einer von den vielen höheren Führungsposten, für den er es ausreichend hielt, sich in Wien durch einen General vertreten zu lassen. Er bewies auch eine gewisse Unterschätzung des Generalstabes durch die Verhinderung einer Reorganisation desselben und er unterließ es, *) *) „Moltke, Benedek ...“, S. 129.