Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 2. (1949)

LHOTSKY, Alphons: Handschriftenausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek anläßlich des Ersten Österreichischen Archivtages. Handschriftliche Denkmäler der Geschichte Österreichs

14 Alphons Lhotsky Eine eigenartige Erscheinung war der gelehrte Zisterzienser Gutolf aus dem Stifte Heiligenkreuz. Er verfügte über ausgezeichnete philologische Kenntnisse, die ihn zur Abfassung der lateinischen Nr. 10 Grammatik cod. n. 2421 befähigten. Seinem gesamten Schrifttum, um dessen richtige Einschätzung sich der Germanist Schönbach verdient gemacht hat, konnte Oswald Redlich noch zwei wichtige historiographische Leistungen hinzufügen, nämlich die in einem Legendär des 15. Jahrhunderts (Eigentümer Graf Wilczek) überlieferte Translatio sanctae Delicianae und die hier in einem Blatte des cod. Nr. 11 n. 373f. 8 gezeigte, bis dahin anonyme sogenannte Historia annorum 1264 — 1279 (Monumenta Germaniae historica, Scriptores IX, p. 649 sqq.). In diesem Falle hat sich Stilkritik in mustergültiger Weise als wirksames methodisches Mittel zur Agnoszierung des Autors erwiesen. Vgl. Oswald Redlich, Des Gutolf von Heiligenkreuz Translatio sanctae Delicianae (Sitzungsberichte der Philosophisch-historischen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 159, 2. Abhand­lung), S. 34 ff. Ein dem äußeren Anscheine nach sehr schlichtes Denkmal ist das Nr. 12 komplizierte Formularbuch cod. n. 2493, dessen letztes Geheimnis vielleicht doch einmal enthüllt werden wird. Ein Mann, der zweifel­los vom Oberrhein stammte, zeitweilig möglicherweise in Ostfrankreich, jedenfalls aber in Basel geweilt hatte, ist in den Kanzleidienst der ersten Habsburger in Österreich getreten. Überall, wo er tätig war, hat er sich Musterbeispiele für Briefe und Urkunden aufgeschrieben, wie er ihrer jeweils in seiner amtlichen Tätigkeit, bedurfte. So finden sich auch allerhand Austriaca, darunter eine interessante Abrechnung Herzog Rudolfs III. mit seinen Amtleuten, die zuerst von Dopsch in ihrer großen Bedeutung erkannt wurde, und etwa ein Dutzend Klosterneuburger Urkunden verschiedenen Inhalts, die den eben erschienenen Studien Wintermayrs über das Klosterneuburger Urkundenwesen zur Verfügung gestellt werden konnten. Das Formular­buch verrät weiter, daß sein Besitzer mit Herzog Rudolf III., der 1306/07 König von Böhmen war, Österreich verlassen hat. Höchst bemerkenswert ist der nur hier überlieferte, lange Zeit mißverstandene Brief Herzogs Friedrich des Schönen (später Gegenkönig Ludwigs des Bayern) vom Herbst 1306, womit er den Kardinalen Jacopo und Pietro Colonna den Herrschaftsantritt in Österreich meldete mit unmißverständlicher Beziehung auf die schon damals behauptete Verwandtschaft der Habsburger mit dem Hause Colonna. Die erste genauere Beschreibung des codex gab Wilhelm Wattenbach im

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