Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)
MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770
Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 315 Daher konnte der Fürst die Anregungen des Statthalters vom 7. März 1769 nicht unbesehen weitergeben, sondern mußte sie sorgfältig erwägen und überlegen. Wenn Firmian vorschlug, die Bischöfe unabhängig von Rom zu ernennen, so schien es Kaunitz weit klüger, den indirekten Weg ein- zuächlagen und dadurch, daß man jedem nicht genehmen Kandidaten das Placet verweigerte, mit gleicher Sicherheit zum Ziel zu kommen '). * * * * * * * 8 9 meisten andern catholischen Höfen nicht nur schriftlich behauptet, sondern auch in wirkliche Ausübung gebracht werden, scheinet die Befugnis derley beneficia simplicia einzuziehen, und sie zu andern für das Beste der Religion und des Staats ungleich nützlicheren und nöthigeren Bestimmungen anzuwenden eine ungezweifelte Wirkung der von Gott den Regenten der Erde ertheilten obersten Gewalt zu seyn, und von der geistlichen Macht nicht im geringsten abzuhangen . .. “ Das Original des Vortrages ging schon damals verloren und daher wurde das am 8. November 1768 beglaubigte Konzept aufbewahrt. L. cit. Ah. Vorträge 1768. Übrigens hat Kaunitz schon vor Firmian sehr weitgehende Vorschläge zur Änderung der kirchlichen Verhältnisse unterbreitet. Arneth, Maria Theresia, 9. Band, S. 46 f. Wie die Kaiserin diese Anregungen vom 10. Februar 1769 aufgenommen, ist nirgends ersichtlich. Das ganze Verhalten des Staatskanzlers im Frühjahr des Jahres 1769, besonders aber seine Antwort auf ähnliche Pläne des Toskanischen Hofes, weisen eher darauf hin, daß er die Stellung der Kirche in Österreich doch noch als zu fest ansah, als daß sie so radikal mit einem Schlage hätte geändert werden können. Vgl. Staatsarchiv, Staatskanzlei, Expedit, nach Florenz vom 21. März 1769. Kaunitz wußte, wie sehr die Kaiserin sein Urteil schätzte und seine seit 1766 wiederholt eingereichten Entlassungsgesuche hatten die Herrscherin zudem so eingeschüchtert, daß der Fürst überzeugt sein konnte, daß Maria Theresia seine Ansichten und Forderungen nur aus den zwingendsten Gründen ablehnen würde. Trotzdem wagte er sich mit seinen kirchlichen Neuerungen damals nur mit äußerster Vorsicht in ihre Nähe. So hatte er für seinen alleruntertänigsten Vortrag vom 25. Jänner 1768 neben der KF, 3. Februar 1766, Anmerkung 2, unterdrückten Stelle auch einen Antiag zur Aufhebung des Jesuitenordens vorbereitet und die Begründung ganz auf die rechtliche und milde Denkweise der Kaiserin abgestimmt. Obwohl nun beide Stellen noch ins Reinkonzept übernommen worden waren, wagte Kaunitz es dann doch nicht, sie der Herrscherin vorzulegen. Staatsarchiv, Staatskanzlei, Ah. Vorträge 1768. J) KF, 17. September 1764, Anmerkung 2. Zu Lebzeiten der Kaiserin war ein so radikales Vorgehen unmöglich. Nach ihrem Tode aber ließ Kaunitz die Maske fallen und drängte den Kaiser jahrelang, endlich die letzten Konsequenzen zu ziehen und die Bischöfe ohne Zustimmung Roms zu ernennen. Im Jahre 1787 hatte der Staatskanzler endlich sein Ziel erreicht, aber der Bischof von Laibach, Graf v. Herberstein, den der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit zum Erzbischof ernennen wollte, starb, bevor es zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen Wien und Rom kam. Siehe Staatsarchiv, Staatskanzlei, allerunter- tänigste Vorträge des Jahres 1787.