Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv

Das Österreichische Staatsarchiv 9 nähme der Archivbeamten an internationalen historischen Arbeiten, wie dem „Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder“ ungestört weiter. Auch die Gefahr, die im Jahre 1938 gedroht hatte, daß *die Bestände des Archivs des alten Deutschen Reiches, die im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und im Hofkammerarchiv sich befinden, in das Reich zurückgebracht werden könnten, wurde durch die Per­sönlichkeit seines Leiters verhindert. Die ersten drohenden Schatten auf die Friedensarbeit des da­maligen Reichsarchivs Wien warf die Sudetenlandkrise, die bereits Bergungsmaßnahmen notwendig machte. Wurde zwar die Kriegs­gefahr vorübergehend gebannt, so erstand den österreichischen Archiv­beamten dadurch gewaltige Mehrarbeit, daß das Münchner Abkom­men die Möglichkeit bot, Teile der nach 1918 an die Tschecho­slowakische Republik abgegebenen Bestände zurückzuverlangen, ein Unternehmen, das eingehende Erhebungen und schwierige, aber auf rein wissenschaftlicher Grundlage, dem Herkunftsgrundsatz, ge­führte Verhandlungen notwendig machte und erst Ende 1943 im wesentlichen abgeschlossen war. Die friedliche Tätigkeit des Reichsarchivs Wien wurde durch den Krieg unterbrochen. Hauptaufgabe der Archivare war es nun, unter möglichster Aufrechterhaltung des für die Verwaltung notwendigen Dienstes ihre Bestände vor den durch den Luftkrieg drohenden Ge­fahren zu schützen. Konnte man sich in den ersten Jahren des Krieges damit begnügen, die wertvollsten Bestände in Kellern und Erd­geschossen zu bergen, so wurden später weitergehende Maßnahmen notwendig, zumal in Wien nicht genügend einwandfreie Kellerräume zur Verfügung standen und von Berlin die Weisung erteilt wurde, möglichst viele Bestände aufs flache Land zu bringen, um so durch weitgehende Dezentralisation allfällige Verluste zu verringern. Nur schweren Herzens entschloß sich die Archivleitung, die durch Jahr­hunderte sorgsam gehüteten Schätze in Schlösser und Pfarrhöfe in Nieder Österreich und in ein Salzbergwerk in Oberösterreich — Salz­bergwerke sind wegen Trockenheit zur Aufbewahrung von gegen Feuchtigkeit empfindlichen Gegenständen besonders geeignet — zu verlagern. Seit Herbst 1942 bis November 1944 wurden allein aus den fünf Abteilungen des Reichsarchivs Wien — also das Kriegsarchiv nicht mitgerechnet — mittels Lastkraftwagen und Eisenbahn rund 250 Möbelwagen mit Archivalien in 50 verschiedene Bergungsstellen außerhalb Wiens gebracht, nachdem schon vorher in Wiener Kellern rund 50 Möbelwagen mit Archivalien geborgen worden waren. Welche

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