Erzsébet Fábián-Kiss: Die ungarischen Ministerratsprotokolle aus den Jahren 1848–1849 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 29. Budapest, 1998)
Ministerratsprotokolle
Es wurde zwar erwähnt, daß ihnen zwischen der Entgegennahme des Befehls von Ladislaus Csány und der Besetzung von Pest durch den Feind sehr wenig und nur einige Stunden Zeit blieb, die genügende und für längere Zeit erforderliche Versorgung ihrer Familien ungenügend war, so daß ohne diese abzureisen ihnen, dazu noch als Familienvätern und besonders bei den damaligen Verkehrsschwierigkeiten, nicht möglich war. Diese Verteidigung kann aber im Falle ganzer Gerichtshöfe nicht den geringsten Nachdruck haben; wenn diese Ausflucht überhaupt ein gewisses Gewicht hätte, dann könnte sie doch nur einzelnen Mitgliedern zugute kommen.. Gemäß dem höheren Ideal der richterlichen Unabhängigkeit kann das Vaterland aber nicht nur erwarten, sondern gerade von Gerichtskörpern auch verlangen, daß sie sich unter dem Feind des Vaterlandes (wenn sie anderes nicht tun können) zumindest auflösen. Und dennoch haben die erwähnten Gerichte und Behörden die richterliche Unabhängigkeit aus den Augen verloren und der Regierung als alleiniger gesetzmäßiger Behörde des Vaterlandes nicht nur keinen Gehorsam geleistet, sich nicht nur nicht aufgelöst, sondern in Pest bleibend, sich durch den stellvertretenden Vorsitzenden 3 beim feindlichen Oberbefehlshaber vorstellend, auch ihre Aufwartung gemacht, ja sie haben sogar, den Befehl des feindlichen Oberbefehlshabers als regulär akzeptierend, bei ihrem richterlichen beziehungsweise Amtsverfahren abweichend von den Formen der Rechtspflege ihre Unabhängigkeit derart schädlich und gefährlich für die Bürger des Vaterlandes - was noch mehr ist, dem Einfluß des Feindes unterstellt - zunichte gemacht, daß sie selbst ohne den Versuch eines Einspruches nicht säumten, das zur Sicherung der privatrechtlichen Klagschriften der Bürger bestimmte Archiv des ungarischen Obergerichtes auf Befehl des Generals des Feindes durch die Herausgabe von 146 Prozessen 4 zu verstümmeln, beziehungsweise bei der Konskription und Konfiszierung der Güter der Bürger, die unerschütterlich am Vaterland, an der Verfassung und der nationalen Idee treu festhalten, zum Zwecke der Vermehrung der Güter des Feindes Hilfe geleistet. 5 Dergestalt haben also diese Gerichtshöfe und Behörden, mangels der zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Autorität und Unabhängigkeit erforderlichen Tatkraft, sich selbst der ersten und unverzichtbaren Bedingung ihres möglichen Weiterbestehens, des öffentlichen Vertrauens, beraubt. Aufgrund alles dessen hat der Ministerrat durch Regierungsverordnung die unverzügliche Auflösung und Umgestaltung 6 der erwähnten Gerichte und Behörden bezüglich ihres Namens, ihrer Form und Gestalt verfügt. Aufgrund von KLÖMXV. Nr. 179. 7