Erzsébet Fábián-Kiss: Die ungarischen Ministerratsprotokolle aus den Jahren 1848–1849 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 29. Budapest, 1998)

Einleitung

Es wäre günstig, wenn es eine der von Jósika ähnelnde Beschreibung der Atmosphäre und des Verlaufs der Beratungen des ungarischen Ministeriums gäbe; er hat in einem seiner Romane die Sitzungen des Landesverteidigungsa­usschusses mit der Genauigkeit des schriftstellerischen Augenzeugen und Teil­nehmers verewigt. 10 In Stephan Széchenyis Tagebuch finden sich zwar Eintragungen von 1848, doch wurden sie nicht mit der Absicht der Darstellung geschrieben; sie sind überaus subjektiv und dabei auch fragmentarisch. Für 1849 können wir uns auf Sebastian Vukovics stützen, dessen Erinnerungen uns nicht nur über einige wichtigere Angelegenheiten, sondern auch über das Verhalten der Minister, den Hintergrund einiger Ereignisse und alltägliche Kleinigkeiten informieren. Er hatte das Empfinden, daß die Ministerratssit­zungen in Debrezin „im Geiste der Ehrlichkeit und mit vollem Vertrauen in den Sieg der Sache" verliefen. 11 In Pest erkaltete die Beziehung zwischen dem Gouverneur und den Ministem. Dazu eine Angabe zur Beobachtung von Vuko­vics: Einem Brief Kossuths an Görgei gemäß hielt der Gouverneur nicht ein­mal die Minister zur Einhaltung der Amtsgeheimnisse für fähig. 12 Ein rauhes Bild von den Beratungen zeichnete Duschek, der auch seine eigenen Gefühle auf die Umgebung projizierte. 13 DAS SCHRIFTGUT DES MINISTERRATES Nach Aussage des Sekretärs des Ministerpräsidenten Paul Jászay wurden die Ministerratsprotokolle - vielleicht aufgrund einer Art falschverstandener Sicherheit - in einem Exemplar angefertigt. Die bereits erwähnten Auszüge kopierte man bloß in der beglaubigten Form einzelner Punkte; diese standen allgemein je einem Ministerium zu. Die unter Vorsitz des Palatins oder Minis­terpräsidenten entstandenen und von diesen beglaubigten Exemplare waren sorgsam bewachte Stücke des Archivs des Ministerpräsidenten im Horváth­Haus (heute Kossuth-Straße 3 im V Bezirk) unter Aufsicht des Sekretärs Ludwig Kuthy. 1849 wurden sie wahrscheinlich mit den Schriftstücken des Gouverneurs unter den vertraulichen Akten aufbewahrt. Außer den Auszügen entstanden auch inoffizielle Kopien für die Minister über die sie interessierenden Angelegenheiten. Wir wissen nicht, unter wel­chen Umständen diese Kopien geschrieben wurden, und auch nicht, wo und wie die heute unter dem Titel Ministerratsprotokolle gemeinsam aufbewahr­ten, überwiegend von Anton VÖrös angefertigten Abschriften entstanden. (Ihnen ähnliche inoffizielle längere Auszüge finden sich auch im Bestand meh­rerer Ministerien.) Anton Vorös hat als Kossuths Archivar und Privatsekretär gar nicht so sehr finanzielle als eher politische Tagesordnungspunkte festge­halten. Diese Orientierung seines Interesses verursachte zugleich auch die Einseitigkeit des Inhaltes der erhaltenen Texte: sie beziehen sich fast alle auf die Haltung Österreichs und der Nationalitäten. Viele, uns interessierende andere Angelegenheiten ließ er unbeachtet. Heute bilden eigentlich diese Abschriften von Anton Vorös die Ministerratsprotokolle der ersten und zwei­ten verantwortlichen ungarischen Regierung, auch wenn sie weder beglaubigt

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