Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)

Einleitung

Begnadigungsrechtes, das ebenfalls eng mit seiner gesetzgebenden Gewalt ver­bunden ist; wie es von ihm abhing, wessen Mitwirkung er beim Erlaß der Rechtsregel wünschte, ebenso konnte er gegebenenfalls mit seinem Rat eine lex specialis erlassen. Daß diese non obstante- Klausel bei dem zunehmenden An­sehen des Gesetzes notwendig war, dafür bietet eine Urkunde von 1436 das beste Beispiel; darin sieht der König von der Anwendung des mehr als dreißig Jahre früher, vor dem 24. April 1405 erlassenen Dekrets über die Vorlegung der Ur­kunden ab. Das Ansehen des Dekrets zeigen auch jene — bei den einzelnen Artikeln dar­gelegten - Fälle, in denen es tatsächlich durchgeführt wurde. Wir können gerade die Anwendung der Artikel VI, XLVIII und XLIX des - wie im vorigen Absatz erwähnt - mehrmals übergangenen Dekrets vom Oktober 1397 aufzeigen, ob­gleich diese außer der militärischen Konskription die Rücknahme von Benefizien und Grundbesitz anordnen. In diesen und ähnlichen Fällen dürfen wir die wort­wörtliche Anwendung des Gesetzes wie es im Zeitalter der absoluten Monarchie oder im bürgerlichen Staat üblich ist, nicht voraussetzen. In jedem Fall müssen wir beachten, welche Kräfte das einmal erlassene Dekret durchzuführen wünschten oder im Gegenteil in Vergessenheit geraten lassen wollten. So sehen wir, daß Artikel I vom 21. Dezember 1404 über die Regelung der Besitzverhält­nisse mit bedeutenden Verzerrungen auch noch 1437 angewendet, während das Gesetz vom 23. Juli 1421, das die Rechtsprechung in der eigenen Sache verbot, einige Jahre später ausgedehnt interpretiert wurde. Gleichfalls für die extensive Auslegung finden wir ein Beispiel in Verbindung mit dem Artikel XVII vom Jahre 1445. Es ist selbstverständlich, daß zum Dekret über die Steuereinziehung vom März 1443 eine Durchführungsanweisung verfaßt wurde, es kann jedoch um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Neuigkeit gelten, daß zur Verwirklichung des Dekrets vom 7. Mai 1445 eine besondere partielle Versammlung der oberen Landesteile nach Szina im Komitat Abaúj einberufen wurde. Die Durchführung aber war - was ebenfalls auf das Widersprüchliche der Entwicklung hinweist ­auch in diesem Falle mit Änderungen und mit Anpassung an die örtlichen Ver­hältnisse verbunden. Kehren wir schließlich zur Glosse aus dem Formelbuch von Somogyvár zurück. Die zunehmende Bedeutung des Dekrets im Rechtsleben wurde durch die Tat­sache eingeschränkt, daß es im Bewußtsein der Menschen dem ius unterworfen war, dessentwillen der Richter - nach unserer Quelle - selbst dem Befehl des mächtigen Königs zuwiderhandeln mußte. Die Identifizierung dieses Begriffs ist nicht schwer; der Richter hat „nach Gott und seiner Gerechtigkeit" zu entschei­den und jedem das seine zu geben, muß also gegenüber den Normen des positiven Rechts das göttliche Recht und das Naturrecht anwenden. Es ist allgemein be­kannt, wie vertraute Begriffe das von Gottes Fügung abgeleitete und vor allem im kanonischen Recht zum Ausdruck kommende ius divinum und das die Grund­sätze der Gerechtigkeit und Billigkeit vertretende ius naturale in der Gedan­kenwelt des mittelalterlichen Menschen waren. Für ersteres finden wir zahlreiche Hinweise in allen sich auf kirchliche Angelegenheiten beziehenden Quellen, für letzteres besonders in den die Rechte der Frauen (dos, quarta) behandelnden Urkunden. Als Offenbarung des Naturrechts, des ius, können wir auch die sich ständig wiederholende Formel auffassen, wonach der glaubwürdige Ortcommuni iustitia requirente (suadente, observata) dem Bekennenden oder Protestierenden

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