Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)
Einleitung
sehen Geistlichkeit und des Adels durch ein neu zum Vorschein kommendes Dekret unter Umständen erschüttert werden konnten. Diese Furcht verhinderte, daß die fehlenden Gesetze nach Ansicht der Kovachich „iure postliminii" in das alte Corpus Juris eingefügt wurden. In dieser Besorgnis zeigt sich der Klasseninhalt der Lehre vom Gepräge „corpus clausuni" der Gesetzessammlung. Daher konnte der Sohn József Miklós, als ihm nach mehr als einem halben Jahrhundert der Pionierarbeit des Vaters die letzte Ausgabe des CJH im Zeitalter des Feudalismus übertragen wurde, nichts von den Vorschlägen seines Vaters verwirklichen. Die dreibändige Ausgabe (1844-1847) weicht von den älteren insoweit ab, als die fremden Einschübe in einem gesonderten (dritten) Band zusammengefaßt wurden und József Miklós Kovachich das neue Register verfaßte. 19 Wenn die strenge Geschlossenheit des CJH für das feudal-ständische Ungarn bezeichnend war, ist die Beibehaltung dieses Prinzips nicht weniger charakteristisch für die bürgerliche Periode nach dem Ausgleich (1867). Wenzel, Raffay, Kérészy und Molnár erklärten sich für das überlieferte System, und auch die bis heute verwendete Millenniumsausgabe des CJH teilt die nicht aufgenommenen Texte ebenfalls in Fußnoten mit. 0 Nach den Kovachich' nahm auch das Interesse an der Suche nach neuen Dekreten ab. Neues haben nur Ferdinand Knauz mit der Veröffentlichung des Gesetzes des Reichstags von Temesvár im Oktober 1397 und Imre Hajnik mit der des Gesetzes nach dem 27. August 1386 gebracht, 21 und hier müssen die Publikationen für das 11. Jahrhundert von Levente Závodszky und Emma Bartoniek erwähnt werden, wobei letztere wirklich vorbildlich ist. 22 Leider wurde die Zahl der zur Verfügung stehenden Handschriften durch die zwei Weltkriege verringert, während die Möglichkeit, neue zu entdecken, minimal ist. Es gibt jedoch einige Dekrete, die zuerst in dieser Ausgabe veröffentlicht werden. Die geschilderte Situation der Textauffindung unterstreicht die Bedeutung der Sammelarbeit von Ferenc Döry. Aber nicht nur die Verwirklichung der von den Kovachich' aufgestellten Forderung nach einer „collectio completa", nach der möglichen Wiederherstellung der Vollständigkeit stießen im bürgerlichen Ungarn auf außergewöhnliche Schwierigkeiten, sondern die allgemeine juristische Auffassung verneinte auch die Korrektur der gemeinkundig gewordenen Texte. Kovachich der Jüngere argumentierte vergebens, daß die einfache Kopie im Prozeßverfahren nicht als Beweis akzeptiert wird, während „textum, in Corpore Juris expressum, esse tantum copias copiarum, et harum quidem nimis erronearum. Das sogenannte Corpus Juris - das Attribut stammt von József Hajnóczy, dem Märtyrer des bürgerlichen Fortschritts und Mitarbeiter von Kovachich dem Älteren - hat den ungarischen Feudalismus überlebt und auch das Horthy-Zeitalter bestand hartnäkkig auf ihm. Der damals angesehene Rechtshistoriker József Illés z.B. wandte 19 Ebenda pp. 78-79. 20 Die Äußerungen in der Literatur ebenda pp. 92-93. 21 S. bei den betreffenden Dekreten. 22 L. Závodszky:A Szent István, Szent László és Kálmán korabeli törvények és zsinati határozatok forrásai (Quellen der Gesetze und Konzilienbeschlüsse aus dem Zeitalter von Stephan dem Heiligen, Ladislaus dem Heiligen und Koloman). Budapest 1904; E. Bartoniek: Szent István törvényeinek XII. századi kézirata. AzAdmonti Kódex (Das Manuskript der Gesetze Stephans des Heiligen aus dem 12. Jahrhundert. Der Admonter Kodex). Budapest 1935. 23 J.N. Kovachich: Notitiae praeliminares... p. 168.