Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
schon in den Händen Kaiser Wilhelms war ; Tisza konnte also bloß nachträglich seine Bemerkungen machen. 168 Tisza bzw. die ungarische Regierung wurden in dieser Sache also von Berchtold offenbar umgangen. 169 Der gemeinsame Minister des Äußern hat jedoch Tisza auch mehrere andere wichtige Momente, die auf den endgültigen Ausgang der Dinge von entscheidendem Einfluß waren, nicht mitgeteilt. Giesl, der Gesandte der Monarchie in Belgrad, überreichte am 23. Juli nachm. 6 Uhr dem Ministerpräsidentstellvertreter Pacu, der den abwesenden Ministerpräsidenten Pasic vertrat, die Note seiner Regierung. 170 Bei Überreichung der Note erklärte der Gesandte, falls er innerhalb einer Frist von 48 Stunden keine Antwort erhalte oder diese nicht zufriedenstellend sei, werde er mit dem Personal der Gesandtschaft Belgrad verlassen. Über das zu befolgende Verhalten erhielt Giesl am 24. Juli nachmittags ein weiteres Telegramm Berchtolds. 171 In diesem wiederholte Berchtold die Anweisungen, die er Giesl in seinem Schreiben vom 20. Juli, 172 das mit der Note gleichzeitig zugesendet wurde, gegeben hatte. Darin wurde Giesl darauf aufmerksam gemacht, daß er nicht ermächtigt sei, über einzelne Punkte der Note zu verhandeln. Er müsse von Pasic die »pure et simple« Annahme derselben verlangen. Im Telegramm vom 24. Juli wurde neuerlich festgelegt, Serbien habe die Forderungen der Monarchie entweder bedingungslos anzunehmen oder diese in ihrer Gänze abzuweisen. Die bedingte Annahme der Note habe Giesl als deren Ablehnung aufzufassen und danach die serbische Hauptstadt sofort zu verlassen. Berchtold hatte auch Instruktionen geschickt, mit welchem Zuge der Gesandte abzureisen habe. Diese besagten, Giesl müsse spätestens bis nachm. 6 Uhr die Note der serbischen Regierung erhalten, der nächste Zug gehe um halb 7 Uhr in Richtung Zimony ab. Es müsse daher alles so vorbereitet werden, daß — falls die Antwortnote Serbiens im obigen Sinne nicht annehmbar wäre — das gesamte Personal der Österreichisch-Ungarischen Gesandtschaft mit diesem Zuge Belgrad verlasse. Am 25. Juli orientierte Giesl telegraphisch Berchtold über die Belgrader Ereignisse, über den im Ministerrat eingetretenen Umschwung (anfangs schien es nämlich, als würde die serbische Regierung die Forderungen der Monarchie annehmen ; später wurde jedoch, wenn auch nicht direkt durch die Stellungnahm e der zaristischen Regierung, so doch unter dem Eindruck des Berichtes, den der serbische Gesandte in St. Petersburg unter dem Eindruck dieser Stellungnahme an seine Regierung geschickt hatte, über Truppenbewegungen usw. anders beschlossen). 173 Nachmittags 5 Minuten vor 6 Uhr brachte Ministerpräsident Pasic selbst die Antwortnote der serbischen Regierung in die Österreichisch-Ungarische Gesandtschaft. Zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Gesandten entspann sich ein kurzes Gespräch, in dessen Verlauf Pasic seiner Hoffnung Ausdruck gab, daß Giesl die Antwort annehmen werde. Der serbische Staatsmann hatte keine Kenntnis davon, daß Giesl nicht zu meritorischen Verhandlungen ermächtigt war. Nachdem sich Pasic entfernt hatte, verglich Giesl unverzüglich die Note seiner Regierung mit der serbischen Antwortnote und stellte sofort fest, daß diese nicht die »pure et simple« Annahme der Forderungen der Monarchie darstellte. Hierüber machte er dem serbischen Ministerpräsidenten in einer kurzen Note Mittei-