Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

können, müssen wir noch die Wurzeln betrachten, aus denen sich der Machtbe­reich des ersten Ministers der Monarchie im letzten halben Jahrhundert ihres Bestehens nährte. Die Staatskanzlei wurde im Jahre 1742 von Maria Theresia eingerichtet. Dieses höchste Organ der Führung der auswärtigen Angelegenheiten hat das Jahrhun­dert von seiner Gründung bis zu den Märztagen verhältnismäßig unverändert überdauert. Im Auf und Nieder der aufeinanderfolgenden großen Umgestaltungen und kleineren Änderungen, von dem in diesem Zeitraum kaum eine politische und Finanzbehörde des Habsburgreiches unberührt blieb, war die Staatskanzlei eigentlich der einzige feste Punkt. Dieser augenfällige Zug in der Entwicklung ist — wie in der vorzüglichen Verwaltungsgeschichte Friedrich Walters festgestellt wird 124 — auf zwei Gründe zurückzuführen. Der eine liegt in dem Umstand, daß sich die Führung der auswärtigen Angelegenheiten schon vor der Schaffung eines gesonderten Organs, schon in sich, fast automatisch von den übrigen Zweigen der höchsten Staatsverwaltung abgesondert hatte. Wenn die Staatskonferenz in den entscheidendsten Fragen auch angehört wurde, stand einer kollegialen Behandlung dieser Probleme von vornherein deren eigenartige, eine Verhandlung auf breite­rer Grundlage nicht ertragende Natur im Wege. Der zweite Grund ist, daß die überragenden Persönlichkeiten, die während des Absolutismus an der Spitze dieses Regierungsorgans für auswärtige Angelegenheiten standen, ihm deutlich ihren Stempel aufgedrückt hatten. In erster Linie Kaunitz (1753 — 1793) und Metter­nich (1809 — 1848), die beide vier Jahrzehnte dieses Amt bekleideten. In welcher Richtung, dazu zitiert Walter die Erklärungen Erzherzog Karls und Metternichs, die bezeichnenderweise übereinstimmen und einander ergänzen. Erzherzog Karl schlug im Jahre 1811 die Schaffung eines »Staats- und Konferenzministeriums« vor. In diesem Vorschlag analysierte er die Besonderheiten und die Erfordernisse der Führung der auswärtigen Angelegenheiten. Seiner Meinung nach müsse der Minister des Äußern in den meisten Fällen nicht nur von verschiedenen, sondern einander oft scharf widersprechenden Grundsätzen ausgehen und sich ähnlich entgegengesetzten Zielen anpassen. Auch sein Vorgehen wird, wenn er sich nicht von vornherein der Erfolglosigkeit aussetzen will, durch grundlegenden Wider­spruch charakterisiert: nach außen hin muß er andere Absichten zeigen, als in Wirklichkeit seiner Tätigkeit als Richtschnur dienen. Seine Politik kann weder in ihren Grundsätzen noch in ihren Endzielen Gegenstand der Debatten eines aus mehreren Mitgliedern bestehenden Rates sein. Daß die Führung der auswärtigen Angelegenheiten auf eine Person begründet ist, hat der hervorragendste Vertreter der Außenpolitik des Habsburgreiches, Metternich, noch prägnanter formuliert. Im Jahre 1811 befaßte man sich mit dem Gedanken, zur Führung der auswärti­gen Angelegenheiten eine ständige Konferenz zu schaffen. Metternich hat diesen Plan rundweg abgelehnt. Er sagte, in der Außenpolitik müsse man auf das Ganze sehen, von den offensichtüchsten Sachen bis zu den geheimsten, von den Angele­genheiten, die hauptsächlich nur das Reich betreffen, bis zu jenen Beziehungen, die dasselbe bloß im weitesten berühren. Dies aber könne, wie er sagte, nur ein Geist und ein Wille meistern. Sowohl Erzherzog Karl wie Metternich zogen einen scharfen Trennungsstrich zwischen den administrativen Hofbehörden der höchsten

Next

/
Oldalképek
Tartalom