Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
im Interesse der Ungarn. In der Eingabe wird kein scharfer Trennungsstrich zwischen den vermeintlichen und den tatsächlichen Problemen gezogen. Aus den konkreten Vorschlägen folgt aber, daß er die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Regierungen der beiden Länder, die nach dem Ausgleich ihr Amt antreten und dem, wie er es nannte, Reichsministerium für ein echtes Problem hielt. Beust war damals schon mehr als fünf Monate Ministerpräsident der kaiserlichen österreichischen Regierung, zugleich Außen-, Innen-, Unterrichts- und Polizeiminister. Durch seine vielfältige Tätigkeit wurde er übermäßig in Anspruch genommen. Er war im Begriff, nach Paris zu reisen. Seinen weitverzweigten Arbeitskreis mußte er gleichzeitig mehreren Vertretern übergeben, und die Sanktion des Ausgleichs mit Ungarn stand unmittelbar bevor. Diese beiden Tatsachen: die Notwendigkeit, ihn in mehreren Eigenschaften zu vertreten, und die durch die Bildung der konstitutionellen ungarischen Regierung erfolgte Änderung der staatsrechtlichen Lage der Zentralregierung bzw. ihrer Mitglieder erforderten gleicherweise die klare Abgrenzung ihrer Funktionen. Den unmittelbaren Grund zur Trennung der Funktionen und zur Festlegung des Wirkungskreises des neu organisierten zentralen Ministeriums gab daher Beusts damalige Überlastung. Da erkannte man, daß gleichzeitig mit der Perfektuierung des österreichischen Teiles des Ausgleichs und der Konstituierung der verfassungsmäßigen österreichischen Regierung das Amt des Vorsitzenden des gemeinsamen (Reichs-)Ministeriums von dem des kommenden österreichischen Ministerpräsidenten getrennt werden mußte. Das schlug auch Beust vor und bat außerdem Taaffe, den er als stellvertretenden österreichischen Ministerpräsidenten vorgesehen hatte, auch das Kultusportefeuille zu übernehmen. 113 Einstweilen handelte es sich also nur darum, den Aufgabenkreis des österreichischen Ministerpräsidenten und des Kultusministers von dem des Vorsitzenden der sich konstituierenden gemeinsamen Regierung zu trennen. Dieser Trennungsprozeß zog jedoch einerseits automatisch eine weitere sukzessive Aufteilung der in den Händen Beusts konzentrierten Machtbefugnisse, andererseits die positive Festlegung des Wirkungsbereichs des Vorsitzenden des gemeinsamen Ministeriums nach sich. Oder zumindest das Bestreben, diesen Bereich positiv zu definieren. Für die Anerkennung des Ausgleichs durch den Reichsrat bestand immer weniger Hoffnung, denn die politischen Kräfte der Monarchie konzentrierten sich auf ein Übereinkommen zwischen dem Herrscher und den ungarischen herrschenden Klassen. Die ungarischen Politiker aber waren nur darauf bedacht, den Schein der Unabhängigkeit der ungarischen Regierung zu sichern. Eben aus diesen wiederholt erwähnten Negativa erwuchs die Notwendigkeit, den Aufgabenkreis der gemeinsamen Regierung, hauptsächlich den des Vorsitzenden der gemeinsamen Regierung abzugrenzen. Den entscheidenden Schritt hierzu tat Beust in seinem Vortrag, der den Erfordernissen der momentanen Lage entsprach. Welches waren Beusts Argumente, was hat er dem Kaiser vorgeschlagen ? Die Obliegenheiten des Vorsitzenden des Ministerrates — wenn man nur die Erledigung von Akten in Betracht zieht — bedeuten zwar keine größere Arbeit, lassen ihm aber nicht genügend Zeit für andere Aufgaben. Die auswärtige Lage erforderte aber zu dieser Zeit volle und angestrengte Aufmerksamkeit. Wie die 3 Komjáthy: Protokolle