Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

Am 26. Oktober 1868 wandte sich Taaffe brieflich an Reichskanzler Beust. Er erwähnt, in Angelegenheit der in das Budget der Länder Zisleithaniens (d. h. Öster­reichs) einzuschaltenden gemeinsamen Ausgaben, über die er mit dem gemeinsa­men Finanzminister Brestel vorher schon verhandelt hatte, habe er einen Mini­sterrat abgehalten. Der österreichische Ministerrat halte es für angebracht, die Bedenken, die sich in Verbindung mit den gemeinsamen Ausgaben ergeben hätten, auf einer mit dem Reichskanzler und den Reichsministern gemeinsam abzuhalten­den Konferenz zu besprechen, um so auf dem kürzesten Wege zu einem Über­einkommen zu gelangen. Taaffe nennt in seinem Briefe den einzuberufenden Ministerrat »gemeinschaftliche Konferenz«. 108 Diese von Taaffe vorgeschlagene »gemeinsame« Konferenz ist im Grunde genommen der Vorläufer der im Laufe der Zeit zur Gewohnheit gewordenen Form des gemeinsamen Ministerrates, durch die das höchste Regierungsorgan der Monarchie zum Diskussionsforum über Fragen zwischen den beiden Reichshälften wurde, die auf andere Art nicht zu lösen waren. (Daß Taaffe darum ersucht, den österreichischen Mini­sterrat mit Reichs-Ministern zu ergänzen, rührt daher, daß es um diese Zeit noch kein gemeinsames Ministerium im späteren Sinne gab. Das Wesentliche dieser Einladung ist das, was letzten Endes die Funktion des gemeinsamen Ministerrates bestimmte.) Taaffe hatte die Reichsminister aus demselben Grunde in den österreichischen Ministerrat eingeladen, aus welchem dem kaiserlichen österreichischen Ministerrat vom 14. Februar 1867 die Politiker der ungari­schen Mehrheitspartei zugezogen worden waren, d. h. um auf kürzestem Wege zu einem Übereinkommen zu gelangen. Seit 1869 haben an den Sitzungen des gemeinsamen Ministerrates stets ein­zwei österreichische und ungarische Minister teilgenommen, in erster Linie der österreichische und der ungarische Ministerpräsident. Wer von den Mitgliedern der beiden Regierungen an den gemeinsamen Konferenzen teilnehmen sollte, wurde nie geregelt. Ihr Erscheinen wurde zum System, zur Gewohnheit und hatte anfangs nicht mehr Gewicht als die Beiziehung der ungarischen 67er Politiker zum Mini­sterrat, der die Bedingungen des Ausgleichs verhandelte ; dies führte dann unbe­merkt dahin, daß ihre Anwesenheit zu einem konstanten Element der gemein­samen Ministerkonferenzen wurde. In den unmittelbar auf den Ausgleich folgen­den Jahren war es noch Gepflogenheit, ihre Beiziehung zu motivieren. In den Begriff »gemeinsamer Ministerrat« gehörten nur die gemeinsamen (Reichs-) Minister. Die Teilnahme von Mitgliedern des österreichischen und des ungarischen Ministeriums am gemeinsamen Ministerrat fungierte als ihre Beiziehung zur Beratung der gemeinsamen Ministerkonferenz, bei konkreten Angelegenheiten. Reichskanzler Beust schrieb am 10. September 1869 an Reichsfinanzminister Bre­stel : er habe die Absicht gehabt, die Frage des Budgets der Hofhaltung im gemein­samen Ministerrat zu beraten, dem auch die zuständigen Minister der beiden Reichshälften zugezogen werden sollten. Inzwischen habe jedoch ein Teil der Österreicher seinen Urlaub angetreten, die Ungarn wiederum, die sich damals in Wien aufgehalten hätten, weil die Delegationen dort tagten, seien inzwischen in die ungarische Hauptstadt zurückgekehrt. Deshalb hätte die Einberufung des gemeinsamen Ministerrates vertagt werden müssen. Jedenfalls habe er die Frage mit

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