Mitteilungen des K. K. Archivrates 2. (Wien, 1916)
Dr. Andreas Mudrich: Das Salzburger Archivwesen
Das Salzburger Archivwesen. 9 Der Domdechant stellte nun folgende Fragen: 1. »Ob nicht ein Copiarium aller in Archivio findigen Originalien vorhanden, welches vorhin durch die hierzue gnädigst Deputierte durchgangen und accurate collationiert seye, um abzunehmen, was von der vorigen Herrn Erzbischöfen Kegierung ermangle oder erst jiingstlicli verrückt seye.« Die Archivare legten darauf die Kopiaria vor und bezeugten, daß sie alles mit Treue und Fleiß übergangen und mit den Originalen unter Beiziehung von der alten Schrift kundigen Personen kollationiert, die herausgenommenen Stücke an ihren Platz zurückgelegt und die abgängigen in ein Verzeichnis gebracht hätten. Unter der Regierung des jetzigen Erzbischofs sei nichts abhanden gekommen. 2. »Ob beide Herren Archivarii einen Partikular-Eid wegen des ihnen aufgetragenen officii abgelegt mit Ersuechen, die Herren Commis- sarii wollten solches, da es zu dato nit beschehen. Ihren Hochf. Gnaden recommandieren, desgleichen daß keiner ohne den andern in das Archiv trete und von allem, was herausgenommen und wieder zurückgestellt worden, ein accurates Protocoll gehalten, auch niemand, wer der auch seye, zuegelassen werde ohne ausdrücklichen Befehl Ihrer Hochf. Gnaden in gemeltes Archiv zu kommen, weniger in Schriften umbzusuechen.« Darauf antworteten die Archivare, daß sie als solche keinen Partikulareid geleistet, sondern nur an ihre Ratspflicht und ehevor geleistetes Juramentum gewiesen und dessen erinnert worden seien. Jeder von ihnen habe einen Schlüssel und keiner könne ohne den andern das Archiv- betreten. Der Domdechant gab zum Schluß seiner Zufriedenheit Ausdruck, daß sie das Archiv wohleingerichtet vorgefunden hätten. Das erfreuliche Bild, das damals das Archiv und seine Verwaltung bot, verschwand leider schon unter dem nachfolgenden Erzbischof Franz Anton (1709—1727) und seinem Hofkanzler Joh. Franz Gentilotti von Engelsbrunn (1714—1729). Die bisherige Einrichtung, daß zwei Hofräte im Nebenamte als Archivare fungierten, kam ab, und das Archiv wurde dem Geheimen Registrator der Hofkanzlei allein überlassen, der auch beide Schlüssel in Verwahrung hatte. Zum Glück brachte Genti- lottis Nachfolger Hieron. Niklas Cristani von Rail (1731) dem Archivwesen das größte Interesse entgegen.1) ln den Archiven des Hofrates und der Lehenstube wurde auf seine Anordnung die Ordnungsarbeit sofort in Angriff genommen und nach langer Mühe beendet. Mehr Schwierigkeiten bot die Untersuchung des Geheimen Haupt- oder Altarchivs, das nach den Worten Cristanis »zu allen Zeiten als das vornehmste Kleinod des Erzstiftes ist geachtet worden«. Durch die Eeligions*) Hofkanzlei XLY, h, 4. Dieser Faszikel bildet die Hauptquelle für die folgende Zeit bis 180Ö.