Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)
Dr. Bertold Bretholz: Zur Geschichte des mährischen Archivwesens
28 Dr. Bertold Bretholz. wenigsten von den Archivkorrespondenten. Teils lagen ihnen derartige Arbeiten in ungemein umfangreichen Beständen fern, teils fanden sie versperrte Türen, wie denn an die Stelle der ursprünglichen Liberalität in bezug auf die Benützung der Privatarchive infolge verschiedentlicher Unzukömmlichkeiten, die sich ereignet hatten, in der Folgezeit ängstliche Absperrung trat. Man wird sagen dürfen, daß mit ganz wenigen Ausnahmen die mährischen Adelsarchive in den letzten vierzig Jahren des XIX. Jahrhunderts von der Wissenschaft wenig beachtet wurden. Erst seit dem Jahre 1900 hat das Landesarchiv zufolge seiner neuen Organisation und gemäß seinen neuen Statuten den Adelsarchiven im Lande seine Aufmerksamkeit zugewandt. Mit welchem Erfolge und in welcher Art, dafür genügt wohl der Hinweis auf zwei Tatsachen. In den von der Kommission für neuere Geschichte Österreichs herausgegebenen »Archivalien zur neueren Geschichte Österreichs«, Bd. I (1907 bis 1913) liegen die übersichtlichen Verzeichnisse der größten und inhaltlich wichtigsten mährischen Adelsarchive vor, insoweit sie für den Zweck jener Publikation in Betracht kamen; weitere Detailverzeichnisse besitzt das Landesarchiv. Weiters aber wurden drei der bedeutendsten und auch umfangreichsten Sammlungen, nämlich das Collaltosche Archiv in Pirnitz, das Kaunitzsche Archiv in Austerlitz und das Würbna-Kaunitz-Rietbergsehe Archiv in Jaromieritz vom Landesarchiv übernommen, weil sie ohne fachmännische Aufsicht und in ungeeigneten Räumen untergebracht waren und dadurch schwer litten, wurden oder werden hier von Grund aus neu geordnet und katalogisiert1). Andere Einziehungen werden sich kaum als notwendig erweisen, denn in den meisten Schlössern (Nikolsburg, Blauda, Buchlau, Teltsch, Tobitschau, Namiest u. a.) sind die Archive vorzüglich versorgt, in geeigneten Räumen untergebracht, entweder unter der unmittelbaren Aufsicht und Obhut der Besitzer oder von Schloßbeamten und Lehrpersonen, die den Sammlungen liebevolles Verständnis entgegenbringen, zumeist auch den Titel von Archivaren oder Bibliothekaren fuhren. Allerdings muß dabei eine Einschränkung gemacht werden. Diese Adelsarchive enthalten zumeist nur das eigentliche Familienarchiv, bestehend aus Urkunden und Handschriften, Korrespondenzen und Privatakten. Die oft großen Bestände an Wirtschaftsakten und -büchern insbesondere des XVIII. Jahrhunderts mit Rückläufen ins XVII. und Ausläufen ins XIX. Jahrhundert, die für Untertans- und Gerichtswesen, für die Anfänge verschiedener industrieller Unternehmungen auf dem ') Das Schloßarchiv samt Bibliothek von Wiesenberg, das aber nur eine von Graf Friedrich Mittro wsky durch archivalische Gelegenheitskäufe angelegte Sammlung darstellte, ist schon im Jahre 1900 in den Besitz des Brünner Stadtarchivs übergegangen. »