Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)

Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809

12 Jus t. Nation wurde aufgefordert, so schnell als möglich einen Reichstag zu versammeln, um sich gütlich über die Länder, welche Polen verlieren sollte, zu verständigen und die heil­samen Absichten der beiden Mächte zu befördern, damit der Republik ein dauernder Friede zu teil werde. Schon in den nächsten Wochen erfolgten die Wahlen, Bestechung half nach, und der am 17. Juni 1793 eröffnete Reichstag war mit Ausnahme weniger Mitglieder zur Erfüllung russischer Wünsche gefügig. Es kam zu der berühmten „stummen Sitzung” in der Nacht vom 22. auf den 23. Sep­tember 1793, in welcher der Reichstagsmarschall Bielinski auf dreimalige Anfrage, ohne daß das Schweigen gebrochen worden wäre, erklärte, der Antrag auf Abtretung gewisser Landesteile an Preußen sei einmütig angenommen. In den Formen eines historischen Trauerspieles hatte sich der letzte Akt der gesetzgebenden Versammlung Polens vollzogen und war doch nur ein großes „Komödiantenstück” gewesen x). Am 25. September wurde der preußisch-polnische Abtretungs­vertrag unterzeichnet und die zweite Teilung Polens besiegelt. Der Republik verblieben nur 4800 Quadratmeilen Landes mit drei Millionen Einwohnern. Nachdem der Reichstag auf Antrag des russischen Gesandten Grafen Sievers die Reduktion der Armee auf 15.000 Mann verfügt hatte, opferte er am 23. November auch noch die Verfassung vom 3. Mai 1791 und stellte den Rechts­zustand vor dieser Zeit wieder her. Die Sitzung dauerte die ganze Nacht, dann ward ein Tedeum gehalten und die Ver­sammlung löste sich auf. Die Zarin hatte ihr Ziel erreicht, Polen war nieder­getreten. Noch gab es aber im Lande begeisterte Anhänger der Maiverfassung, die trotz des verübten Gewaltstreiches an der Möglichkeit einer Verwirklichung der Konstitution nicht verzweifelten, die Gut und Leben einzusetzen bereit waren, um die bedrohte Heimat vor gänzlichem Untergang zu bewahren. Die Schroffheit des Generals Igelström, der als Gesandter und Befehlshaber der russischen Truppen in ’) Siehe hierüber die interessanten Schilderungen bei Bernhard], II. Teil, 2. Abt., 333 und Brüggen, 319—321, 395.

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