Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)

Hauptmann Criste: Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Carl

Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Carl über den Feldzug 18C0. 29 X. Prag, den 28. September. Theuerster Vetter! Empfangen Sie meinen wärmsten Dank für Ihren Brief vom 16. nebst den so interessanten Nachrichten aus Italien. Ich habe sie mehrmals gelesen. Dürfte ich Sie bitten, mir, wenn Sie es thunlich finden, ferners der­gleichen Nachrichten mitzutheilen; nur wenn man solche er­hält, kann man ein richtiges Urtheil über die Lage der Dinge fallen. Das meinige über den Ausgang des Feldzuges, wenn es noch dazu kommen sollte, stimmt in Rücksicht von Italien und Deutschland ganz mit dem Ihrigen überein. Moreau steht mit Uebermacht auf einem Punkt concentriert gegen unsere schwächere, in einem Halbzirkel vertheilte Armee. Wir mögen nun offensiv oder defensiv zu Werke gehen, so ist der Vortheil ganz auf seiner Seite; Macdonald steht mit der Reserve-Armee an der Grenze Tirols, bereit, in Verbin­dung mit Moreau’s Bewegungen in diesem Lande vorzu­dringen, und Brune wird zweifelsohne seine ganze Macht auf einem Punkt concentrieren, um den Mincio zwischen Mantua und Peschiera zu forcieren und unsere so sehr vertheilte Armee über den Haufen zu werfen. Friede ist in dieser Lage der Dinge unumgänglich nothwendig. Gott gebe, dass er wenigstens leidentlich ausfalle. Möge er mir das Vergnügen verschaffen, Sie wieder sehen und umarmen, Sie persönlich meiner Freundschaft versichern zu können; erhalten Sie mir immer die Ihrige. Ich setze auf wenig Sachen in der Welt einen so grossen Werth wie auf diese, und seien Sie über­zeugt, dass die meinige für Sie unveränderlich ist. Ich um­arme Sie tausendmal. Carl. Colloredo und Dellmotte legen sich zu Füssen. Ich bitte Sie dem Oberst Bianchi tausend Empfehlungen von mir zu machen.

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