Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn

König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn. 213 Auch auf den Reichstagen von 1722/23 und 1728 nahmen die Verhandlungen über die Religionsfrage einen besonders stür­mischen Verlauf; die Beschwerden waren nicht neu und sie grün­deten sich gewiss auf Thatsachen; aber es ist zweifellos, dass man einzelne Fälle generalisierte und wohl auch übertrieb. Anderseits ist die herrschende katholische Partei, welche die bessere Organisation und auch ausserordentlich reiche Mittel, dazu die Sympathie des Hofes besass, gewiss oft nicht von der bewussten Ausbeutung ihrer vor­züglicheren Stellung freizusprechen. Auf dem letzten Reichstage (1728) gab es in Folge der Weigerung protestantischer Stände­mitglieder, den Eid auch bei Maria und den Heiligen zu schwören, höchst unerquickliche Scenen. Fünfzig Artikel wurden in diesem Jahre über die Protestantenfrage beschlossen. Von grösster Bedeutung für die ungarischen Protestanten auf lange Zeit hinaus war die Resolution des Kaisers vom Jahre 1731; Maria Theresia’s Verordnungen gehen im Wesentlichen nicht mehr über dieselbe hinaus. Sie enthält, auf den bestehenden Gesetzen fussend, kurz folgende Bestimmungen: Unter der Frei­heit der Religionsübung sei nur die private zu verstehen, die öffentliche sei nur in den Articular - Orten gestattet; in den andern Orten unterstehen die Akatholiken hinsichtlich der geist­lichen Functionen dem katholischen Pfarrer; Grundherren dürfen ohne Zustimmung des Königs keine Veränderung in Religions­sachen vornehmen; die Prediger unterstehen in weltlichen Ange­legenheiten den politischen Behörden; Eheprocesse werden von den Bischöfen, jedoch nach den Grundsätzen des Bekenntnisses der akatholischen Parteien entschieden; Glaubensahfall, insbesondere der Rückfall von bereits einmal Bekehrten, ist schwer zu bestrafen; katholische Feiertage müssen in der Oeffentlichkeit mitgefeiert werden; Handwerker müssen an den Processionen theilnehmen; den Eid sollen protestantische Richter, Beamte und Advocaten einstweilen unter ausdrücklicher Nennung der „ Jungfrau-Gottes­gebärerin“ und der Heiligen schwören, Zeugen hingegen sollen im Interesse des rascheren Ganges der Verhandlungen nur den gewöhn­lichen Eid ablegen; sollte eine Privatperson sich hinsichtlich ihrer Religion gekränkt fühlen, so sollte sie sich in ihrem eigenen, keineswegs aber im Namen einer Partei an den König um Abhilfe wenden dürfen.

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