Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 7. (Neue Folge, 1893)

Tagebuch eines Officiers im Generalstabe der bayerischen Armee (Major Fürst Thurn und Taxis) während des Feldzuges in Russland 1812.

208 Tagebuch eines Officiers im Generalstabe besonders da die Pferde unseres Fuhrwesens durch das grüne Futter sehr an Kräften verloren hatten. Am 12. Juli kam unser Hauptquartier nach Nowe Troki, einer Kreisstadt, für welche der Kaiser, da alle russischen Autori­täten sich auf Befehl entfernt hatten, einen Unterpräfecten ernannte, dessen Functionen aber durch die Truppenmärsche, besonders aber durch die Excesse der Nachzügler, noch sehr gehindert waren. So befand sich in einem Nonnen-Kloster in diesem Städtchen eine Edelfrau mit vier Kindern, deren Schloss vor einigen Tagen aus­geplündert, dann in Brand gesteckt, deren Mann getödtet worden war. Sie hatte sich in die Wälder geflüchtet, war dort noch von italienischen Marodeurs gefunden und ihrer letzten Habe beraubt worden, bis sie endlich dieses Kloster sich zum Asyl erwählte. Troki ist durch einen ziemlich grossen See interessant, der dicht daran liegt und auf welchem sich eine Insel mit den Ruinen der Burg Witolds, des ersten Grossfürsten von Litthauen befindet. Wir erfuhren hier, dass der Vice - König von Italien sich von Smorgon aus links gegen die Düna gewandt, dagegen der Fürst von Eckmühl mit 2 Divisionen seines Corps die Stadt Minsk besetzt und wahrscheinlich von nun an das Commando des rechten Flügels der grossen Armee führen würde. Am 13. Juli nahm die 13. Division ihre Stellung dicht vor Wilna in einem Walde und die unsrige postierte sich bei dem Schlosse Ponary, eine Meile diesseits an der grossen Strasse. In der Nacht wurden wir praeveniert, dass, da wir am folgenden Tage noch einige Meilen über die Stadt hinaus zu marschieren hatten, der Kaiser uns nicht förmlich en revue passieren, sondern nur bei sich vorbeidefilieren lassen würde. Wir brachen am Morgen auf und formierten uns nahe an der Vorstadt von Wilna in geschlossenen Colonnen hinter der Division Deroy. Gegen 11 Uhr erschien der Monarch. Unser Corps war an diesem Tage noch 25.000 Mann stark, die Pferde, vorzüglich die der Artillerie in einem wirklich bewunderungswürdigen Zustande, die Mann­schaft von der schönsten Haltung und noch vollkommen gut montiert; es war daher natürlich, dass man sehr zufrieden war und mehrere aus Napoleon's nächster Umgebung sich äusserten, das 6. Corps sei schöner noch als die kaiserliche Garde.

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