Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (Neue Folge, 1887)

Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. Eine Selbstbiographie

6 Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. Cadeten in weit ausgedehnten Cantonirungen ist wahrhaft bekla- genswerth und war es damals umsomehr, als man sich gar wenig um ihre Bildung kümmerte. Die Regiments-Commandanten und übrigen Stabsofficiere hatten die Rangsstufe, auf der sie standen, mühsam erklommen. Sie wollten nun Ruhe haben und nach überstandenen physischen Fatiguen der Gemächlichkeit pflegen; an geistige Uu- thätigkeit waren sie schon lange gewöhnt. Der Krieg mit den Türken brach 1788 aus. Die Hälfte des Officiers-Corps des Regimentes, in dem ich diente, zeigte sich für Feldfatiguen nicht mehr fähig und so ward ich in meiner Rangs- tour Oberlieutenant, nachdem ich ein Jahr und mehrere Monate früher Officier, d. h. Unterlieutenant, geworden war. Im Laufe dieses Krieges machte ich viele Erfahrungen. Die Ordnung ward tüchtig gehandhabt. Fürsorge auf Märschen und in Lagern Hess sich allenthalben bemerken; kurz für das materielle Wohl des Soldaten ward viel gethan und es verdient dies umsomehr Lob, als mancher Feldzug gegen die Türken wegen Krankheiten misslang, die in dem an das Klima nicht gewöhnten Heere einrissen. Die Armee war schön und hatte auch viel innere Kraft und doch hat sie nichts ausgerichtet. Man hatte die Defensive gewählt. Ich schreibe es dieser Wahl allein zu, dass wir beinahe in allen kleineren Gefechten den Kürzeren zogen, und doch sind es gerade diese kleineren Gefechte, in welchen die Generale Gelegenheit haben, das Vertrauen der Massen z.u gewinnen. Nach und nach trat Muth- losigkeit ein und die Armee ward, was sie nimmermehr sein soll, eine durch Disciplin zusammengehaltene Maschine, in der die Bewegung, das ist der Geist, fehlte. Das ganze Jahr 1788 erstritt die Armee keinen Erfolg, weil das leidige Cordonsystem diesen von vornherein ganz unmöglich machte. Ganz anders verhielt es sich im Jahre 1789. FM. Loudon übernahm den Oberbefehl.1) *) Vor dem Rückzüge nach Karansebes war ich durch zwei Tage Ordon- nanz-Officier beim FM. Lacy. Als später FM. Loudon kam, wurde ich bei ihm permanenter Ordonnanz-Officier. Lacy war immer nur darauf bedacht, wenig Leute vor dem Feinde zu verlieren und verlor desto mehr durch Krankheiten. Loudon war in dieser Hinsicht praktischer. Beide waren sehr grosse Herren, (Graf Thun, Erzählungen des Feldmarschalls.)

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