Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1886)
Zwischen Donau und Elbe. Skizze der Kriegsbegebenheiten in Ostböhmen im XVIII. Jahrhundert
Prinz Karl seinerseits fühlte sich viel zu wenig sicher, um einen Schlag zu wagen. Tausend Bedenken und ein im Hauptquartier zu Lhotka abgehaltener Kriegsrath Hessen ihm sogar seine starke Stellung hinter der Adler bedenklich scheinen, von der Friedrich II. selbst sagt1): ,.Das Lager, so der Prinz Karl von Lothringen hinter Königgrätz genommen hatte, war von Katur inattaquable.“ Der Kriegsrath führte die Meinungen nicht zusammen, sondern auseinander 2). „Der Prinz Eugen pflegte zu sagen, dass, so oft ein General keine Lust hätte, etwas zu unternehmen, kein besseres Mittel deshalb sei, als einen Kriegsrath halten1', schreibt Friedrich II. und fügt bei: „Dieses ist umsomehr wahr, als die Erfahrung zeiget, dass der mehreste Theil derer Stimmen bei einem conseil de guerre allezeit vor die Negative ausfallen. Ein General, welchem der Souverain seine Truppen anvertraut, muss aus sich selbst agiren.“ Freilich setzt Friedrich II. einen General voraus, wie er ihn verlangt und in classischen Worten schildert3): „Ein voll-, kommener General ist ein étre de raison, eine platonische Republik, das centrum gravitatis derer Philosophen, der Stein der Weisen derer Chymisten.“ Das fand sich eben nicht häufig. Prinz Karl fand es schliesslich auch bedenklich, dass 4) „die Feinde so ruhig bleiben, wie wenn wir im Frieden wären. Das gibt mir viel zu denken.“ Die Königin mahnte unermüdlich zur Ausdauer 5), „dieses so vortkeilhafte Lager, dergleichen in ganz Böhmen nicht zu finden, so lang als immer möglich zu behaupten.“ Aus allen Zweifeln erlöste endlich das Abziehen des Königs auf das rechte Elbe-Ufer, wo er zwischen Nedélist und Lochenic sich lagerte, das Hauptquartier in Chlum. Diese Stellung gewährte ihm indessen nicht die gehofften Vortheile, und Friedrich II. wählte eine neue zwischen Smific und Jároméi’. Die Verpflegung wurde dabei immer schwieriger, der Zustand nach und nach unhaltbar, und endlich kam es so zum völligen Rückzug. Am 18. September ging der König wieder über die Elbe bei Jároméi’ und dann über Chwalkowitz nach Staudenz bei Trautenau, nicht ohne unterwegs noch von Franquini kräftig angefallen worden zu sein. Inzwischen hatte die Königin in Frankfurt die Wahl des Grossherzogs Franz Stephan zum römischen Kaiser durchgesetzt, und von da ab erscheint Österreichs Heldenfürstin Maria Theresia als „Kaiserin- Königin“ in der Geschichte. Friedrich II. war erbittert darüber, dass Frankreich die Kaiserwahl nicht gewaltsam gehindert, und von der *) General-Principia vom Kriege, VIII, 3. 2) General-Principia vom Kriege, XXV. 3) General-Principia vom Kriege: „von denen Talents, welche ein General haben muss“. 4) Kriegs-Archiv 1745; Fase. VII, 46. B) Kriegs-Archiv 1745; Fase. VII, 27.