Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

199 nisse zu besprechen, welche sich ausserhalb dieser Stadt, im flachen Lande ahspielten. Es betrifft dies hauptsächlich die Gegend südlich der Donau, da, wie dargestellt, das Land nördlich dieses Stromes vom Herzoge von Lothringen in kraftvoller Weise beschützt ward. Als sich das grosse Heer Kara Mustapha’s gegen Wien wälzte, stürmte demselben, wie schon erzählt, nach orientalischer Sitte ein Reiter-Corps voran, das überall hin Streifparteien entsandte und mit einem Schlage ganze Landstriche verwüstete. Mord und Brand bezeichneten die Pfade dieser zumeist aus Tataren gebildeten Vorhut des türkischen Heeres, deren Aufgabe es schien, Furcht und Entsetzen in die entlegensten Thäler zu tragen, um jeden möglichen Widerstand im Keime zu ersticken. Diese gut berittenen Tataren waren jedoch schlecht bewaffnet (sie führten gewöhnlich nur eine Lanze), und erreichten ihre auf Plünderung und Raub gerichteten Bestrebungen zumeist durch Überraschung. Dort, wo ihnen organisirter Widerstand entgegengesetzt wurde, zogen sie fast immer ohne Erfolg ab; den regulären Truppen wichen sie sogar förmlich aus. Diese wilden Horden verheerten fast ganz Nieder-Österreich und verwandelten dieses in der ersten Zeit von regulären Truppen ent- blösste blühende Land auf Jahre hinaus in eine Wüste *). Anfänglich wirkten die Nachrichten über die Greuelthaten der Türken so niederschmetternd, dass ein grosser Theil der Bevölkerung die Flucht ergriff. Die Strasse nach Ober-Österreich war binnen Kurzem bedeckt mit Flüchtlingen, welche ihre werthvollsten Habseligkeiten auf Wagen mit sich führten. Die flinken Tataren holten diese Unglück­lichen bald ein und richteten ein Blutbad unter ihnen an. Von ihren immer mit grosser Schnelligkeit durchgeführten Streifzügen, wobei zahl­reiche Ortschaften in Flammen aufgingen, kehrten die Tataren zu ihrer Erholung meist in ihre permanenten Lager zurück, wovon eines am „Steinfelde“, zwischen St. Pölten und Wilhelmsburg, und ein anderes bei Königstetten nächst Tulln sich befand. Bald jedoch — nachdem man sich von der ersten Betäubung erholt hatte — brach sich unter dem Landvolke die Erkenntniss Bahn, dass es mit den Tataren nicht so schlimm sei, wenn man sich ihnen nur muthig entgegenstelle. Nicht nur befestigte Ortschaften, Schlösser und Burgen, deren es damals eine ziemliche Anzahl gab, Klöster und Kirchen, sondern auch ’) Huhn, S. 16, erzählt, dass sich diese Barbaren zur Auffindung versteckter Menschen eigens abgerichteter Hunde bedienten.

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