Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 85 Als nun Kaiser Josef II. Ende September, nach dem Abzüge des Feindes aus Böhmen, bezüglich der Kriegs Vorbereitungen für den nächsten Feldzug dringende Vorstellungen erhob, forderte die Kaiserin ein neues Gutachten vom Fürsten Kaunitz ab und dieser entledigte sich am 2. October des ihm gewordenen Auftrages in folgender Weise: Seiner Ansicht nach läge für keinen der kriegführenden Theile die zwingende Veranlassung zu einem Friedensschlüsse während des Win­ters vor; Nachgiebigkeit von einer oder der anderen Seite könnte nur dann erwartet werden, wenn durch kriegerische Ereignisse oder politische Constellationen in dem Stande der Dinge wesentliche Ände­rungen herbeigeführt würden. Österreich sei allerdings noch nicht so weit gebracht, um unbedingt auf den Frieden lossteuern zu müssen, nichtsdestoweniger würde es dem Abschlüsse desselben keine Hinder­nisse in den Weg legen. An eine Wiedereroberung Schlesiens könne die Monarchin selbst dann nicht denken, wenn Preussen eine grosse Niederlage erleiden würde, denn Bussland werde letzterem ohne Zweifel zu Hilfe kommen, indess Frankreich seine Neutralität bewahre. Sei nun in dem siebenjährigen Kriege, ungeachtet der Mitwirkung Frankreichs und Russlands, dies grosse Ziel der österreichischen Politik nicht er­reicht worden, um wie viel weniger dürfe man jetzt darauf rechnen. Die einzige Hoffnung beruhe daher in der Annahme, dass Preussen dem Vorschläge des Wiener Hofes beitrete. Die Fortsetzung des Krieges eröffne nur die Aussicht auf bedeutende Verluste und grossen Kostenauf­wand. Der Zeitpunkt sei noch nicht eingetreten, mit neuen Anträgen zur Friedensstiftung hervorzukommen; es müssten daher nach dem Grund­sätze: „Si vis pacem, para bellum“, alle möglichen Anstalten zur kräftigen Fortführung des Kampfes getroffen werden. Mit dieser Auseinandersetzung erklärte sich Kaiser Josef in einem an den Fürsten Kaunitz gerichteten Schreiben ddo. Jicin, 5. October einverstanden. Er wei’de, bemerkte Se. Majestät, seine Massnahmen treffen in Erwartung, dass der Friede geschlossen werde, indem der König von Preussen entweder auf die Vereinigung der Markgrafthiimer verzichte, oder selbe gegen eine Entschädigung Österreichs in Bayern erwerbe. Frankreich hege den Wunsch, dass Österreich einen Theil des occupirten bayerischen Gebietes behalte; das Meiste hänge von Russ­land ab, um die Sachen zur Entscheidung zu bringen; Sachsen würde sich fugen müssen, aus Furcht zertrümmert und ein Opfer des Krieges zu werden. Maria Theresia beeilte sich daher, den König von Frankreich um Unterstützung der österreichischerseits gemachten Vorschläge in Berlin anzugehen. Während nun von Versailles aus eine Note nach der preussi- schen Hauptstadt abging, erklärte der französische Gesandte in Wien, Baron Breteuil, der Verzicht Friedrich II. auf die Vereinigung der fränkischen Markgrafthiimer sei höchst unwahrscheinlich. Durch die

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