Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 61 tionen der k. k. Armee bisher vom Erfolge gekrönt waren, so sei dies allein dem überlegenen Talente des Feldmarschalls Graf Lacy zu verdanken, der stets die besten Stellungen zu wählen und die Pläne des Feindes zu durchschauen verstand. Über die bestimmenden Gründe der Räumung Böhmens durch das verbündete preussisch-sächsische Heer und den ursächlichen Zusammenhang der kriegerischen Ereignisse mit dem trostlosen Zustande desselben gibt die Correspondenz des Königs mit dem Prinzen Heinrich Aufschluss. Aus dem Schriftenwechsel der beiden Brüder geht zunächst hervor, dass ihre Streitkräfte bereits gegen Mitte August die Offensive aufgegeben hatten und nur noch darauf bedacht waren, mittelst Requisition auf Kosten des Landes bis zum Eintritte der schlechten Herbstjahreszeit zu leben. Zu dieser Zeit schon hielt Friedrich II. die eigene Macht für unzulänglich, selbst unter präciser Mitwirkung der Streitkräfte seines Bruders, das k. k. Heer zu schlagen und dem Wiener Hofe den Frieden zu dictiren. Der königliche Oberfeldherr rechnete nur noch auf den Beistand seiner Alliirten, namentlich der Kaiserin von Russland, die den Feldoperationen allein eine günstigere Wendung geben und den Krieg zum Abschlüsse bringen konnten. Während die Aufzeichnungen des Königs Friedrich II. über den bayerischen Erbfolgekrieg *) dieser durch die Correspondenz mit dem Prinzen Heinrich beglaubigten Thatsachen keine Erwähnung thun, bezeugt vorstehende actenmässige Darstellung der politischen und kriegerischen Ereignisse, dass auch andere Theile des Werkes auf unvollständige Kenntniss der jeweiligen Verhältnisse bei dem k. k. Heere beruhen. Namentlich bezieht sich dies auf die kritischen Bemerkungen über die Defensive der unter dem Oberbefehle des Kaisers Josef II. stehenden Elbe-Armee zur Zeit der grossen Umgehungsbewegung der Preussen von Wolsdorf gegen Hohenelbe. Die Passivität der Österreicher war weder dem Mangel an Initiative, noch der Kriegsweise ihrer Heerführer entsprungen, sondern wurde von politischen Erwägungen dictirt und der Oberleitung durch stricte Weisungen von Wien aufgezwungen. Wäre es nach dem Willen des Kaisers und seiner Feldmarschälle gegangen, so hätte der Feldzug von 1778 einen blutigen Verlauf und vielleicht auch eine für Österreich günstigere Wendung genommen. Politik und Kriegführung hängen auf das Innigste zusammen und bedingen sich so sehr, dass eine Politik der Nachgiebigkeit und Vorsicht selten eine energische Kriegführung zur Folge hat. Die *) „Oeuvres posthumes“ etc.