Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

222 4000 Stürmer versuchten nun über die Bresche in die Bastion zu dringen, und schon fürchtete man in Wien, die Tapferkeit der Ver- theidiger müsse so bedeutender Übermacht erliegen. Der allenthalben aufgehäufte Schutt erleichterte den Türken den Aufstieg über die Bresche; sie kletterten, in der Rechten den Säbel, in der Linken den Schild, am Rücken einen gefüllten Sandsack tragend, unter gellendem Allahgeschrei über die Mauertrümmer, unerschüttert durch den Geschosshagel, der ihnen von der Bastion, dem Cavalier und den oberen Stockwerken der Burg entgegengeschleudert wurde. Durch anderthalb Stunden dauerte der fürchterliche Kampf, Verzweif­lung focht gegen Fanatismus, schon wehten einige Rossschweife, den Sieg der Türken verkündend, auf der Bastion, woselbst die gedrängten Haufen der Janitscharen von Schanzkörben und Wollsäcken schützend umschlossen waren. Da erscheint der gewaltige Starhemberg mit der ganzen Generalität an der Spitze der letzten Reserven; Muth und Kraft der Vertheidiger verdoppeln sich, und nach dem hartnäckigsten, blutigsten Handgemenge werden die bereits siegestrunkenen Musel­männer über die Mauertrümmer hinabgestürzt, und die gefährliche Bresche wird sofort durch Palissaden und Sandsäcke gesperrt. Die Türken Hessen allein bei 500 Leichen zurück, die Besatzung hatte einen Verlust von 114 Mann zu beklagen, darunter einen todten und fünf verwundete Officiere. Die Umsicht und Tapferkeit Starhemberg’s, unterstützt von dem Heldenmuthe der braven Soldaten und Bürger, hatte Wien an diesem Tage gerettet. Die unermüdliche Besatzung schleppte unmittelbar nach dem Kampfe Balken, Pflöcke, Sandkörbe, spanische Reiter, Wollsäcke, Ochsenhäute etc. herbei, um die gefährlichsten Öffnungen der einge­stürzten Mauern auf das schleunigste zu schliessen. Aus dicken Bohlen wurden ganze Wände gebildet, die man auf Rädern nach allen Seiten wenden konnte, um durch diese beweglichen Brustwehren rasch entstandene Lücken auszufüllen. Die Burg-Bastion erhielt neue Abschnitte mit Palissaden und Geschützen, so dass man auf Alles vor­bereitet war. An diesem Tage wurde weiters ein neues Corps von 400 Mann ge­bildet, das aus Persönlichkeiten bestand, welche bisher vom Dienste ausgenommen waren, wie: Beamte, unentbehrliche Gewerbsleute etc. Unzählige Raketen, welche nächtlicherweile vom Stephansthurme aufstiegen, verkündeten dem heranrückenden Entsatzheere die äusserste Noth der Stadt, welche buchstäblich im Todeskampfe lag.

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