Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens
219 ment und den Caponniéren, um den nachrückenden Feind jedes Deckmittels zu berauben. Ungeachtet des heftigsten Feuers aus beiden Bastionen und der Courtine setzten sich die jubelnden Janitscharen also- gleich im verlassenen „Zauberhaufen“ fest und schleppten auch zwei Geschütze und zwei Mörser herbei, mit welchen sie ein starkes Feuer gegen die Burg-Bastion eröffneten. Die Eroberung des durch volle 23 Tage glänzend vertheidigten Burg-Ravelin war der zweite grosse Erfolg der Türken vor Wien. Mit dem Falle dieses wichtigen und letzten Aussenwerkes öffnete sich für den Feind der directe Zugang zur Courtine imd es galt nur noch die beiden anstossenden Bastionen durch Geschützfeuer und Minen lahmzulegen, um dann ungehindert die Courtine in die Luft zu sprengen und, die Breschen stürmend, in die nun fast wehrlose Stadt zu dringen'). Kara Mustapha selbst nannte das Ravelin eine Klippe, unter welcher die Christenhunde all’ ihre Zauberkünste vergraben hätten. In der That, nur die beispiellose Zähigkeit der heldenhaften Ravelin-Besatzung ermöglichte dem Entsatzheere, noch rechtzeitig zu erscheinen, um Wien zu retten. FZM. Graf Starhemberg erwog nach dem Verluste des Ravelin die weiteren Absichten des Gegners und traf noch am selben Tage seine Gegenmassregeln. Er armirte neuerdings den Löbel-Cavalier und liess in den hinter den angegriffenen Werken befindlichen Gassen Abschnitte graben, Verhaue errichten und Barricaden bauen, um, falls die Courtine wirklich fallen sollte, im hartnäckigen Strassenkampfe jene kostbare Zeit zu gewinnen, welche das Herannahen des Entsatzheeres noch bedurfte. In kurzer Zeit waren denn die Schaufier-, Teinfalt-, beide Schenken-, die Schottengasse nebst der Freiung, mit Abschnitten, Gräben, Wolfsgruben, Palissaden reichlich versehen, mit Ketten und Gittern gesperrt, und ein Augenzeuge versichert, dass selbst einige Häuser in Batterien verwandelt wurden, und auf je zehn Schritte eine neue, von Bewaffneten besetzte Vertheidigungslinie folgte. Mit vollem Vertrauen konnte Starhemberg auf den Muth der bis auf ein Drittheil geschmolzenen Besatzung zählen, ebenso auch auf ') Wenigen der Besucher des Volksgartens, welche abendlich der heiteren Musik daselbst lauschen, mag der Gedanke in den Sinn kommen, dass an dieser Stelle vor genau 200 Jahren ununterbrochen Janitscharengeheul ertönte, dass in den dreiwöchentlichen mörderischen Kämpfen, welche das Burg-Kavelin umtobten, dessen Spitze bis zum jetzigen Kaffeehause ragte, tausend und abertausend Moslims verbluteten, unbekannt, unbeachtet, unbeweint, und dass sich eben hier die denkwürdige Belagerung von Wien gewissermassen concentrirte. (Onno Klopp, Seite 244.)