Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

210 Man sah tagsüber eine Menge mit Beute beladener Kameele gegen Pressburg treiben, die Türken trachteten also bereits ihre geraubten Gegenstände in Sicherheit zu bringen, was auf keine besondere Zuver­sicht auf die Eroberung Wiens schliessen liess. Am 27. August, um 7 Uhr Früh, fielen 200 Fusssoldaten und 30 Dupigny’sche Reiter aus den im Graben noch immer behaupteten Caponniéren aus, um die beim Ravelin arbeitenden Janitscharen zu ver­treiben. Trotz des heftigsten Feuers griff diese tapfere Abtheilung einige bereits gekrönte Minentrichter an, von denen einer sanunt einigen darin befindlichen Türken verschüttet wurde. Der Feind ‘brauchte überhaupt drei Tage, um die bei diesem Ausfälle bewirkten Zerstö­rungen wieder gut zu machen. Kaum war diese brave Truppe, von welcher Fähnrich Freiherr von Spindler fiel, wiederj eingerückt, so gingen die Türken auf ihre alten Plätze vor. Nachmittags 5 Uhr sprangen wieder zwei Minen, die eine an der linken Face des Burg-Ravelin mit einiger Wirkung, die andere an der Contrescarpe der rechten Face der Burg-Bastion ganz er­folglos. Die erstere Mine öffnete dem Feinde die Bahn zu einem raschen, aber durch Obei'st Graf Scherffenberg muthvoll abgeschlagenen Sturme. Abends hielten die Türken, wie man glaubte, eine feierliche Bet­stunde, welche sie mit einer dreimaligen Salve aus allen Geschützen eröffneten. In der Besorgniss, dass dieser religiöse Enthusiasmus zu kühnen Unternehmungen benützt werden könnte, liess FZM. Starhem­berg die Nacht hindurch alle Officiere, Soldaten und Bürgerwehren in strengster Bereitschaft nächst den Wällen stehen. Später erfuhr man durch Überläufer, dass Kara Mustapha dieses Freudenfest improvisirte, um die von ihm ausgestreute Nachricht, dass Kaiser Leopold gestorben sei, glaubwürdiger zu machen. Nachts um 10 Uhr liess Kielmannsegg 30 Raketen vom Stephans- thurme steigen, um dem nahenden Entsatzheere die wachsende Bedräng- niss Wiens anzuzeigen. FZM. Graf Kapliers bewog Michaelovitz zum zweiten Male mit Briefen zum Herzoge von Lothringen abzugehen. Der Brief des Grafen Kapliers, welcher im Namen des Deputirten-Collegiums abgefasst war, lautete: „Aus Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht vom 22. dieses Monats an mich, Grafen von Kapliers und Grafen von Starhemberg gnädigst erlassenen Schreiben haben wir vernommen, dass der so hoch nöthige Succurs gegen das Ende dieses Monats um Krems Zusammenkommen werde, und dass inzwischen Ew. Durchlaucht so oft wie möglich

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