Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
146 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. seine Wünsche unterstützen und hiezu durch Aufbietung aller ihrer Kräfte beitragen zu können. Obgleich die örtliche Lage und Beschaffenheit, sowie die Fruchtbarkeit der Gegenden des Ottomanischen Reiches, welche an Österreich grenzen, den vom Kaiser zu machenden Erwerbungen eine ganz andere Wichtigkeit verleihe, als den Acqui- sitionen Russlands, so würde die persönliche Freundschaft der Kaiserin für ihren Bundesgenossen ihr niemals gestatten, auch nur einen Augenblick lang Bedenken zu tragen, ihm das Opfer zu bringen. Von der festen Überzeugung durchdrungen, dass, wenn die Erfolge in dem eventuellen Kriege die beiden alliirten Mächte in den Stand setzen, Europa von dem Feinde des christlichen Namens durch Vertreibung aus Constanti'nopel zu befreien, der Kaiser seinen Beistand zur Wiederherstellung der alten griechischen Monarchie auf den Trümmern und dem Schutte der dort herrschenden barbarischen Regierung nicht versagen werde, schlage die Kaiserin vor: Unter ausdrücklicher Bedingung von ihrer Seite sollte die neuerstandene Monarchie in gänzlicher Unabhängigkeit von der russischen erhalten und der jüngste der Enkel Katharina’s — der Grossfürst Constantin — auf den Thron gesetzt werden. Letzterer würde sich gleichzeitig verpflichten, auf die russische Monarchie niemals irgendwelche Ansprüche zu erheben, so dass die Vereinigung der beiden Reiche unter einem Oberhaupte für immer ausgeschlossen bliebe. Eine gleiche Zusage würde seinerzeit von ihrem Sohne, dem Grossfürsten, sowie von dessen ältestem Sohne gegeben werden und einstweilen erkläre sie sich bereit, für sich und ihre Nachfolger jede nothwendige Bürgschaft zu leisten, dass niemals Ansprüche zur Geltung gelangen, welche die Vereinigung Russlands mit dem neuen Staate unter einem Haupte bezwecken. „Das neue Griechenreich könnte begrenzt werden: gegen Russland durch das Schwarze Meer, gegen Österreich durch eine Linie, welche von den Erwerbungen abhängig bliebe, die der Kaiser bei dem Zusammenbruche des Barbarenreiches gemacht und stipulirt habe, und endlich gegen Dacien durch die Donau. Die Inseln des Archipels würden bei dem neuerstandenen Griechenreiche bleiben. „Um ihre Erkenntlichkeit für die vom Kaiser gewährte Hilfsleistung bei Ausführung einer so grossen und für das Wohl der Christenheit folgenreichen Unternehmung zu beweisen, würde die Kaiserin ausser der Gebietsvergrösserung im Osmanischen Reiche gerne dem Kaiser auch noch behilflich sein, Etablissements am Mittelmeere zu erwerben, welche dem Handel seiner Unterthanen Vortheile gewähren. „Die beiden Kaiserhöfe werden sich aufs neue verpflichten, in allen Angelegenheiten anderer Mächte gegenseitig sich zu unterstützen, um abzuwehren, dass diese ihrem für die Christenheit vor- theilhaften Abkommen Widerstand entgegensetzen. Zu diesem Behufe